Ein Jahr nach der Märchenhochzeit wünschen sich vor allem junge Frauen, wie Kate zu sein – mehr, als junge Männer sich ein Rendez-vous mit Kate wünschen. Die englische Boulevardpresse wirkt fast enttäuscht, die seriösen Medien in aller Welt sind voller Respekt für die 30-jährige Herzogin von Cambridge: Sie leistet sich keine Fehler, provoziert keine Kritik. Und ihr Leben vor und nach diesem 29. April scheint so makellos, dass kein einziges peinliches Foto, kein einziges spektakuläres Gerücht aufgetaucht ist. Nicht einmal die sonst in den Medien gern gegen Bares lästernden Schulkollegen oder Mitstudenten sind aufgetaucht.
Ein Jahr Kate im Familienkreise der Royals – und eine klare Erkenntnis: Kate ist keine zweite Diana. Die Klatschkolumnisten mag das stören, für das noch vor wenigen Jahren von Krisen und Peinlichkeiten geschüttelte Königshaus ist sie ein Glücksfall.
EIN PAAR WIE DU UND ICH
Eine Kate-Mania gibt es am ehesten in Sachen Mode – und das geht weit über Britanniens Grenzen hinaus. Das liegt auch daran, dass sich die Prinzessin bis auf wenige luxuriöse Abendroben mittelpreisige Mode von der Stange leistet. Wie ein blaues Mantelkleid für knapp 200 Franken – und das teilt sie sogar mit Mutter Carole. So etwas ist bei Bürgerlichen vollkommen normal – aber es passt auch perfekt zur Philosophie der königlichen Familie: Prinzessin Anne erscheint schon mal mit einem Kostüm, das sie vor über dreissig Jahren öffentlich trug. Und die olivgrünen Mäntel, die die Queen bei Landpartien überzieht, übersteigen die Lebensdauer eines durchschnittlichen Mittelklassewagens.
Von Prinzessin Catherine wird enormes soziales Fingerspitzengefühl verlangt. Grossbritannien steckt noch immer mitten in der Wirtschaftskrise. Auch wenn das gesamte Königshaus jeden britischen Steuerzahler statistisch nur knapp zwei Franken im Jahr kostet, beziehen die Royals doch eine Apanage aus der Staatskasse. Weniger, als ein einziges Kriegsschiff kostet, aber leider sichtbarer. Kate und William leben privat so, dass das Gehalt des Prinzen als Offizier (um die 80 000 Franken brutto im Jahr) eigentlich ausreicht, die laufenden Kosten zu bestreiten. Damit verdient sich das Paar Respekt. Schönes Beispiel: William und Kate leben in einem gemieteten Farmhaus auf der Insel Anglesey, Wales, wo William als Pilot stationiert ist. Obwohl die Region eine eher ärmere ist, politisch mehrheitlich mit der linken Labour- oder der walisischen Regionalpartei sympathisiert, behalten die Einheimischen für sich, was sie vom Privatleben des künftigen Königspaares mitbekommen. Noch nicht einmal für Geld verplaudern sie die genaue Lage des Hauses. Den Paparazzi bleiben sporadische Abschussfotos von Kate, wie sie im Nachbarort an der Supermarkt-Kasse bezahlt. Oder wie sie mit Schwester Pippa einen Spaziergang am Strand unternimmt – in Öljacke und Gummistiefeln der britischen Firma L. K. Bennett.
Während Diana die Primaballerina der Royals war, ist Kate die aufstrebende Jungmanagerin im Hause Windsor. Wie das Preisbewusstsein beim Kleiderkauf entspricht ihr Verhalten genau der Linie der wichtigsten Familien-Potentaten: Sie hält sich gerne in der Natur auf. Sie verkehrt privat lieber in britischen Kreisen als mit dem internationalen Jetset, der Diana so anzog. Und sie fühlt sich selbst an ihrem derzeitigen Wohnort in der walisischen Provinz wohl. Diana fiel schon in der Weltstadt London oft die Decke auf den Kopf. Aber weil Kate so ist, wie sie ist, hat sie die einst so gefährlichen Diana-Gegner völlig auf ihrer Seite: nicht nur die Queen, die innerhalb der Familie mehr auf Harmonie bedacht ist und auch einmal kleine Fehler verzeihen kann. Sondern auch Prinz Philip, der abseits vom Protokoll gerne das Familien-Oberhaupt gibt – und schwer vom Gegenteil zu überzeugen ist, wenn er jemand einmal nicht mag. Auch die öffentlichen Termin-Maschinen Prinzessin Anne und Sophie Wessex, die bei vielen lästigen Anlässen in der Provinz auftreten und Kate damit einen solchen Marathon ersparen. Wenn immer ein Mitglied der Familie über Kate spricht, gibt es nur Lob.
KRITIK? NICHT BEI KATE
Strahlendes Lächeln und Warmherzigkeit mögen vor dreissig Jahren ausgereicht haben, um eine erfolgreiche Prinzessin zu sein, zumindest für die Medien und die meisten Untertanen. Im Zeitalter von Facebook und Twitter, wo jedes Detail innert Minuten einem Milliardenpublikum zur Diskussion steht, ist die Zurückhaltung, auf die Prinzessin Catherine setzt, gut. Und Zurückhaltung ist vornehm – vornehmer als ein neuroyaler Dünkel, der bürgerlichem Familienzuwachs in Königshäusern gerne nachgesagt wird. Elitäre Überheblichkeit und Starallüren unterstellt Kate niemand. Ein wichtiges Argument in Zeiten, wo auch regierende Royals ständig auf die Sympathiewerte bei Umfragen achten müssen.
Der Kate-Weg ist ein eigener, ein neuer Weg. Einer, der akzeptiert wird. Bestes Beispiel: Die sonst nach Prinzen-Hochzeiten täglich wiederkehrenden Schlagzeilen nach der ersten Schwangerschaft der Braut begleiten das Paar William und Kate kaum. Offenbar auch deshalb, weil die Neu-Prinzessin mehr als eigenständige Persönlichkeit denn als Garantin für eine nächste royale Generation gesehen wird. Eine junge Frau, die mit ihrem Mann ein privates Leben führt – eines, das glücklich ist und wie das vieler anderer Paare heute nicht nur vom Ziel des Kinder-Kriegens dominiert wird. Manche königlichen Kollegen mögen da fast neiderfüllt nach England schauen.
Der künftige König von Grossbritannien und Nordirland ist William. Und damit auch der Star im Hause. Wehe, wenn dieses Rollenbild zu sehr kippt. Unvergessen ist das Zitat eines genervten Prinz Charles bei einem Auftritt mit Diana, die von Tausenden Fans umjubelt wird. «Ich bin nur der, der die Blumen einsammelt», sagte Kates Schwiegervater damals. «Sie warten sicher auf meine Frau. Die ist noch da hinten.» Natürlich kommen auch Massen von Schaulustigen, wenn Kate einen ihrer bisher seltenen Auftritte absolviert. Kate und William kommen an. Als sympathisches Paar auf Augenhöhe. Klar: Die Königin der Herzen ist sie nicht. Das mag hart klingen, aber auf jeden Fall ist sie es noch nicht. Auf dem Weg zu einer Königin der Sympathien, einer Hoffnungsträgerin für die Zukunft der Windsors ist sie bereits. Ein Image, das niemandem zufliegt. An dem sie diszipliniert und hart arbeitet und ebenso erfolgreich. Wie ihre Schwiegermutter, die Prinzessin Catherine niemals persönlich kennenlernte. Lady Di eroberte die Herzen von Millionen in aller Welt – das Herz ihres Mannes Prinz Charles aber gehörte ihr nie wirklich.
Kate hat vielleicht noch nicht die Herzen von Millionen erobert, aber ein Herz gehört ihr ganz sicher: das von Prinz William. Und das ist letztlich auch ihre einzig wahre Garantie für ein glückliches Leben – hinter den Palasttoren ebenso wie davor.
Andreas C. Englert ist stv. Chefredaktor der deutschen Illustrierten «Frau im Spiegel» und Königshaus-Experte.