Liebe Petra Gössi
Das war Ihr Napoleon-Moment! Heute stehen Sie als mutige, visionäre Feldherrin da, die führen, mitreissen und Schlachten gewinnen kann. Die von Ihnen eingeläutete klimapolitische Kurskorrektur hätte auch die Verbannung auf die einsame Insel bedeuten können. So mutig war der Schritt. Aber nein, die FDP-Basis hat die Kurswende begrüsst. Nur wenige muffeln oder kehren sich ab wie Vizepräsident Christian Wasserfallen, der freilich nicht zugibt, dass er wegen der grünen Wende demissioniert.
Wie haben doch die Kommentatoren seit Februar über das grüne Make-up der Gössi gelästert! Reine Wahltaktik im Hinblick auf die Herbst-Wahlen sei das, kaum nachhaltig und zum falschen Zeitpunkt. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, hat Gorbatschow mal gesagt. Heute müsste man sagen: den straft das Klima. Aber man darf gar nicht mehr zu spät kommen. Das haben Sie und Ihre Mitstreiter offenbar erkannt. Klar rennen Sie auch dem Trend nach. Die Grünen haben gerade Hochkonjunktur, sind in ganz Europa die grossen Wahlsieger.
Aber Sie knüpfen auch an der Geschichte der FDP Schweiz an, erinnern uns daran, dass es starke Frauenfiguren der FDP waren, die als Erste grüne Politik gemacht haben, Lili Nabholz, Elisabeth Kopp, Leni Robert, um nur sie zu nennen. Für die Zukunft unseres Landes ist der Kurswechsel sicher nützlich, ob er kurzfristig auch der Partei nützt, wird sich weisen. Die Erfahrung zeigt, dass die Wählerinnen und Wähler das Original dem Generikum vorziehen. Das war schon so, als Ihre Vorgänger vor vier Jahren meinten, die FDP müsse auf Wählerfang einfach der SVP nachrennen. Viel Glück!