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Der ganz normale Wahnsinn

Ein Abtreibungsverbot ist menschenverachtend

Der «Supreme Court» kippt das Recht auf Abtreibung in den USA. Und begründet dies mit dem unabdingbaren Recht auf Leben. Gibt es dieses überhaupt, fragt sich unsere Familienbloggerin.

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Pro-Abortion activist Julianne D Eredita leads other pro-abortion activist during a march from the US Supreme Court to the White House to protest the U.S. Supreme Court overturning of Roe v. Wade, which ended federal abortion protection making abortion regulation an issue decided by individual states at the U.S. Supreme Court in Washington, DC on Sunday, June 26 2022. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY WAS20220626048 JemalxCountess

«Warum hat eine Waffe mehr Rechte als eine Frau?», fragt man sich nach dem Entscheid des Supreme Court auf US-Strassen.

imago/UPI Photo

Die Antwort ist relativ einfach: Nein. Gäbe es ein in Stein gemeisseltes Recht auf Leben, dürfte niemand Waffen verkaufen. Oder Alkohol. Oder Autos. Alles potenzielle Totmacher. Und eigentlich wäre die Diskussion hiermit beendet.

Könnt ihr euch vorstellen, wie es ist, keine Freude zu empfinden?

Trotzdem führen wir sie immer wieder. Mit gesundem Menschenverstand hat das nicht viel zu tun. Ein Abtreibungsverbot rührt von der Vorstellung her, dass Sex allein der Fortpflanzung dient. Dass das nicht viel mit der Realität zu tun hat – und es, nebenbei gesagt, nie hatte – wisst ihr ja wohl selbst, liebe konservativ Religiöse. Viele von euch sogar aus eigener Erfahrung.

Ich weiss nicht, wie es sich anfühlt, ein Kind abzutreiben. Aber ich weiss, wie es sich anfühlt, ungewollt schwanger zu werden. Ungewollt, nicht ungeplant. Ich war nicht zu doof zum Verhüten, ich wurde trotz Verhütung schwanger. Könnt ihr euch vorstellen, wie es ist, auf diese zwei rosa Streifen des Schwangerschaftstests zu schauen, und keine Freude zu empfinden? Weil einfach gar gar gar nichts passt? Weil ihr euch nicht vorstellen könnt, dieses Kind in eurem Leben zu haben? Und es euch auch gar nicht vorstellen wollt?

«Jede Frau, die sich entscheidet, ein Kind nicht zu bekommen, tut dies, weil sie sich absolut sicher ist, dass es besser so ist, für sie selbst und für das Kind.»

Ich habe das Baby drei Tage nach dem Schwangerschaftstest verloren. Wisst ihr, wie es sich anfühlt, wenn man ein Kind verliert, und froh darüber ist? Könnt ihr euch auch nur im Geringsten vorstellen, was für ein Mass an Schuldgefühlen und Selbsthass in einem tobt? Und man trotzdem tief drin weiss, dass es richtig ist so? Weil alles andere sich jenseits der eigenen Vorstellungskraft befindet? Niemand wird einfach so mal schwanger. Und niemand treibt einfach so mal ein Baby ab. Jede Frau, die sich entscheidet, ein Kind nicht zu bekommen, tut dies, weil sie sich absolut sicher ist, dass es besser so ist, für sie selbst und für das Kind.

Ein Gesetz, welches diesen zutiefst persönlichen Entscheid nicht akzeptiert, ist nicht nur respektlos, sondern am Ende auch menschenverachtend. Selbst wenn es ein unabdingbares Recht auf Leben gäbe, müsste man dieses noch mit einem Zusatz versehen: Liebes Ungeborenes, du hast ein unabdingbares Recht auf irgend ein Leben. Auch wenn dich niemand gewollt hat. Ist doch besser als gar keins. Oder nicht?

Familienbloggerin Sandra C.
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Von Sandra Casalini am 2. Juli 2022 - 18:09 Uhr