Ich sags jetzt mal so, wies ist: Mein Sohn ist 13 Jahre alt und hatte bis zur Erstkommunion drei Jahre lang katholischen Religionsunterricht. Und er hat keine Ahnung, warum man Weihnachten feiert. Das heisst, er weiss schon, dass da irgendwas mit Jesus war. Und Gott. Und dass man einen von denen später barbarisch an ein Holzkreuz nagelte. Das ist alles.
Jahrelang habe ich ihm zur Adventszeit immer wieder die Weihnachtsgeschichte erzählt. Und wenn ich ein Jahr später fragte, ob er noch wisse, warum man feiert, meinte er jeweils: «Geschenke?» Ich habe deshalb beschlossen, es dieses Jahr sein zu lassen mit dieser Weihnachtsgeschichte und ihm nicht mehr zu erzählen, warum man Weihnachten feiert, sondern warum wir Weihnachten feiern. Er und ich, und die Leute, die wir gernhaben.
«Wie oft scrollt ihr euch durch die Social Media Profile von Leuten, die ihr eigentlich kaum kennt, und beneidet ihr stylishes Leben?»
Und ja, es geht um Geschenke. Natürlich geht es auch um Religion und Tradition, aber eigentlich geht es viel mehr um Geschenke. Nicht um Geld oder Wert. Sondern um Wertschätzung. Um Dankbarkeit. Mal ganz ehrlich: wie oft scrollt ihr euch durch die Social Media Profile von Leuten, die ihr eigentlich kaum kennt, und beneidet ihr stylishes Leben, ihre tollen Ferien, ihren grandiosen Job und ihre perfekte Familie? Nie? Bullshit! Ich mindestens einmal am Tag. Dabei bin ich auf eben diesen Sozialen Medien kürzlich auf einen wunderbaren Spruch gestossen (auch wenn ich Leute, die dort ständig philosophische Weisheiten von sich geben, doch mit einer gewissen Skepsis betrachte): «Dankbarkeit macht aus dem, was du hast, genug.»
Es gibt an einem der Weihnachtstage immer diesen einen Moment, in dem ich mich zurückziehe und ein bestimmtes Foto anschaue. Es ist eines der ganz wenigen gemeinsamen Bilder, die ich von meinem Vater und meinem Sohn habe, aufgenommen an Weihnachten 2006. Hätte ich damals geahnt, dass die ersten Weihnachten mit meinem Sohn die letzten mit meinem Vater sein würden, hätte ich noch viel mehr Fotos gemacht. Auch wenn das natürlich nichts geändert hätte. Lustigerweise zeigt mir dieses Bild je länger je mehr nicht das, was ich verloren habe, sondern all das, was das Leben mir geschenkt hat.
«Mein Sohn hat recht. Es geht an Weihnachten um Geschenke. Nicht nur um die, welche unterm Baum liegen.»
Und genau darum geht es. Jedes Geschenk, das ich an Weihnachten unter den Christbaum lege, ist ein Danke ans Leben. Für die beiden schönsten, lustigsten und talentiertesten Kinder der Welt, die mir regelmässig den vorletzten Nerv rauben. Für den Mann, ohne den es diese Kinder nicht gäbe, und ohne den sie mir auch den letzten Nerv rauben würden. Für meine Mutter, die mich noch immer vor allem Bösen dieser Welt beschützt. Für meinen Bruder, der mir die Welt immer wieder mit neuen Augen zeigt (aber über die sauteure Kaffeemaschine auf deiner Wunschliste müssen wir nochmal reden). Für meine Schwiegerfamilie, die in ihrer Zuverlässigkeit und Grosszügigkeit unübertrefflich ist.
Mein Sohn hat recht. Es geht an Weihnachten um Geschenke. Nicht nur um die, welche unterm Baum liegen. Sondern um all die, die täglich vor unserer Nase sind, ohne dass wirs richtig merken.
Mehr von Familien-Bloggerin Sandra C. lest ihr hier.