Ich bin kein grosser Fan von Elternabenden. Im Allgemeinen werden da gefühlte 83 Punkte runtergerattert, die man im Anschluss eh als PDF per Mail erhält, und der versprochene Apéro besteht aus einem Glas Orangensaft und ein paar Salzstängeli.
Ich ziehe es deshalb allermeistens vor, diesen – bei einigen Eltern aus unerfindlichen Gründen extrem beliebten – Veranstaltungen fernzubleiben. (Dies übrigens, nebenbei gesagt, durchaus auch im Interesse meiner beiden pubertären Kinder - auch bekannt als Pubertiere. Sie finden, Eltern sollten sich grundsätzlich so wenig wie möglich in ihren natürlichen Lebensräumen - also Schule oder Teenager-Zimmer - aufhalten.)
Vergangene Woche fand allerdings der erste Elternabend am Gymnasium meiner Tochter statt, das sie seit kurzem besucht. Ich beehrte den Event mit meiner Anwesenheit, um einen Blick auf die Lehrpersonen zu werfen, die ich bisher nur aus Erzählungen kannte (und ja, es gab doch die eine oder andere Überraschung) – und in der Hoffnung auf einen anständigen Apéro. Um es gleich vorweg zu nehmen: letztere wurde enttäuscht.
«Wenn unsere Eltern geahnt hätten, dass ihre Traumvorstellung des erfolgreichen Geschäftsmannes und der glücklichen Hausfrau und Mutter einmal die Horrorvorstellung ihrer Enkelinnen und Enkel sein würde!»
Allerdings wurde uns Eltern etwas sehr Unterhaltendes geboten. Nämlich ein Klassenprojekt, bei dem sich die Schülerinnen und Schüler so inszenieren und fotografieren sollten, wie sie im Alter von 28 Jahren AUF KEINEN FALL sein wollen. Das Ergebnis: Fast alle Buben stellten sich als langweilige Spiesser in Anzug und Krawatte dar. Und Dreiviertel der Mädchen als Hausfrau mit Kindern am Rockzipfel! Auf den ersten Blick musste ich lachen. Wenn unsere Eltern geahnt hätten, dass ihre Traumvorstellung vom Siebziger-Jahre-Idyll des erfolgreichen Geschäftsmannes und der glücklichen Hausfrau und Mutter einmal die Horrorvorstellung ihrer Enkelinnen und Enkel sein würde!
Auf den zweiten Blick freute ich mich darüber, dass die Mädchen von heute eben nicht mehr vom Hausfrauen- und Mutter-Dasein träumen, sondern aus den alten Rollenbildern ausbrechen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen wollen. (Wobei man sich bewusst sein muss, dass es sich hier um Gymnasiastinnen handelt, von denen die meisten wohl noch eine lange Ausbildung vor sich haben, und denen eine entsprechende Karriere wichtig ist.)
«Ein Grossteil der Mädchen beschäftigt sich offensichtlich mit dem Gedanken, dass eine Familie ihr Leben negativ beeinflussen würde.»
Und auf den dritten Blick stimmte es mich nachdenklich, wie sehr diese 14- bis 16-jährigen Kinder in unseren patriarchalen Strukturen gefangen sind. Während ein Grossteil der Mädchen sich offensichtlich mit dem Gedanken beschäftigt, dass eine Familie ihr Leben – ihrer heutigen Meinung nach negativ – beeinflussen würde, ist das für keinen einzigen Jungen ein Thema. Vermutlich nicht, weil sie keine Familie wollen, sondern weil sie, im Gegensatz zu den Mädchen, immer noch davon ausgehen, dass Kinder ihr (Berufs-)leben nicht allzu gross tangieren.
Ich habe die Hoffnung, dass für die Generation meiner Enkelinnen und Enkel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf selbstverständlich sein wird. Bis dahin gibt es noch viel zu tun.
Mehr von Familien-Bloggerin Sandra C. lest ihr hier.