Ach, Greta Thunberg! Ich musste schmunzeln, als sie diese Woche am WEF vor der versammelten Weltpresse gefragt wurde, wie sie mit Hatern umgehe. Was macht die 17-Jährige? Sie ignoriert die Frage und kritisiert stattdessen, dass auf politischer Ebene zu wenig passiert in Sachen Klimapolitik. Und sagte damit mehr oder wenig: «Mein Seelenleben geht euch einen Scheiss an. Reden wir über Inhalte.» Ganz schön viel Chuzpe für einen Teenager.
Klar, der Starrummel um Greta Thunberg - und auch der Hass, der ihr entgegenschlägt - hat Dimensionen angenommen, die bestimmt nicht spurlos an diesem Mädchen vorbeigehen. Aber wo sie recht hat, hat sie recht: Das ist nicht unser Problem. Und wo sie nochmal recht hat, hat sie nochmal recht: wir Erwachsenen sind es ihr und ihrer Generation schuldig, über Inhalte zu reden. Und zu handeln. Denn die Generation unserer Kinder hat jede Unterstützung verdient, die wir ihr geben können.
«Die Jugend, die ich erlebe, ist in keinster Art und Weise faul und verwöhnt - und naiv zu sein ist ja wohl das Privileg, das ihr noch zugestanden werden muss.»
Stattdessen beschimpfen wir sie als faul, verwöhnt und naiv. Ich weiss nicht, ob all die Leute, die in den Kommentarspalten von Onlineportalen über «Minderjährige, die gegen das System rebellieren, das ihnen Wohlstand beschert hat» herziehen, Kinder in Greta Thunbergs Alter haben. Ich schon. Und die Jugend, die ich erlebe, ist in keinster Art und Weise faul und verwöhnt - und naiv zu sein ist ja wohl das Privileg, das ihr noch zugestanden werden muss.
Meine fünfzehnjährige Tochter kam kürzlich viel zu spät von der Schule nach Hause. Sie und ihre Freundinnen hatten beobachtet, wie ein älterer Herr eine Treppe runterstürzte, sich verletzte und stark blutete. Die halbwüchsigen Mädchen kümmerten sich um ihn, riefen die Ambulanz und blieben bei ihm, bis sie da war. Kein einziger Erwachsener hat in dieser Zeit gefragt, ob man helfen könne. Man hat das den Kindern überlassen.
«Weil ich glaube, dass hier eine Generation kommt, die etwas tut, was die meine nicht richtig gelernt hat: hinschauen.»
Warum ich das erzähle? Weil ich glaube, dass diese Situation etwas Symbolisches hat. Weil ich glaube, dass hier eine Generation kommt, die etwas tut, was die meine nicht richtig gelernt hat: hinschauen. Den Mund aufmachen. Und handeln. Ja, manchmal vielleicht ein bisschen überstürzt, und vielleicht auch nicht immer richtig. Gibt das uns das Recht, über sie herzuziehen? Ausgerechnet wir, die wir lieber wegschauen und gar nichts machen?
Wir sind die Generation, die nicht kämpfen musste. Unsere Eltern haben für uns in sehr vielen Dingen eine Treppenstufe erklommen, auf der wir uns ausruhten. Dass wir noch nicht zuoberst angekommen sind, merkten wir erst später. So habe ich zum Beispiel die feministischen Exploits meiner Mutter erst verstanden, als ich selbst Kinder hatte. Erst da sah ich, dass Gleichberechtigung noch viele, viele Treppenstufen entfernt ist.
Die Generation meiner Kinder weiss das schon heute. Und sie ist nicht gewillt, das einfach so hinzunehmen. Das gleiche gilt für den Klimawandel. Und wer sich nun über die Generation mockiert, die «fürs Klima demonstiert, aber sich zur Schule fahren lässt», kann ja einfach aufhören, seine Kinder zur Schule zu fahren.
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