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Der ganz normale Wahnsinn

Warum die Gen-Z-ler bessere Eltern sein werden als wir

Mentale Gesundheit ist ein grosses Thema bei der Generation Z. Genau das wird sie dereinst zu besseren Eltern machen als uns selbst, denkt unsere Familienbloggerin. Nicht, weil sie mehr mentale Probleme haben. Sondern weil sie sich derer bewusster sind als wir. Und eher bereit, sie zu lösen.

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Sandra Casalini Blog der ganz normale Wahnsinn

Kinder, Küche, Karriere, alles perfekt und mit Leichtigkeit unter einem Hut – so sah sich unsere Familienbloggerin lange am liebsten. Wenns mal nicht so lief, haderte sie mit sich selbst.

Lucia Hunziker

Fast 40 Prozent aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen waren schon mal in psychotherapeutischer Behandlung. So viele wie noch in keiner Generation zuvor. Und ich stelle jetzt eine gewagte Behauptung auf: Genau das wird die Mitglieder der Generation Z dereinst zu besseren Eltern machen als wir oder unsere Eltern oder Grosseltern es waren. Nicht, weil sie mehr mentale Probleme haben als wir. Haben sie nämlich gar nicht. Denn, ob ihrs glaubt oder nicht, absolut jede und jeder von uns schleppt ein Rucksäckli voller Psycho-Shit mit sich rum, um es mal salopp auszudrücken. Mancher dieser Rucksäcke ist schwerer, mancher etwas leichter. Manche von uns sind besser darin, sie zu schultern, andere gehen dabei fast zugrunde. Und jetzt kommts: Die allermeisten von uns haben keine Ahnung, was in diesem Sack alles drinsteckt, und warum wir uns oftmals so schwer damit tun.

Kleiner Einblick in meinen Rucksack 

Und jetzt kommts gleich nochmal: Wenn wir Eltern werden, schauen uns unsere Kinder dabei zu, wie wir uns mit unseren Rucksäcken abmühen. Und sie denken nicht: «Habt ihr eigentlich einen an der Waffel?» – womit sie vollkommen recht hätten – sondern zum Beispiel: «Mama denkt offenbar, sie wird mehr geliebt, wenn sie noch ein bisschen schwerer schleppt und schneller rennt. Das wird schon so sein, denn sie ist ja schliesslich meine Mama.»

Kleiner Einblick in meinen Rucksack gefällig? Ich habe lange Zeit den Satz «Du bist perfekt» mit dem Satz «Ich liebe dich» verwechselt. Und ich habe alles dafür getan, perfekt zu sein, um geliebt zu werden. Trotzdem – beziehungsweise gerade deswegen – war mir immer unendlich wichtig, dass meine Kinder wissen, dass meine Liebe für sie niemals an irgendwelche Bedingungen geknüpft ist. Dass meine Selbstliebe an nichts weniger als an Perfektion geknüpft war, habe ich lange nicht gecheckt. Und auch nicht, dass meine Beziehung zu mir selbst, die ich meinen Kindern ja vorlebe, ebenso wichtig ist wie meine Beziehung zu ihnen. So haben meine Kinder jahrelang miterlebt, wie ich meinen Körper auf vermeintliche Idealmasse trimmte, und wie ich mich jedesmal, wenn ich irgend einen Fehler machte, noch ein bisschen mehr selbst hasste. Bewusst wurde ich mir dessen erst, als ich merkte, dass beide meine Kinder im Teenageralter mein fragwürdiges Verhalten kopierten, jedes auf seine Weise.

«Die meisten werdenden Eltern wären mit einer Therapie besser beraten als mit Vorbereitungskursen »

Und jetzt kommts zum dritten mal: Wie gesagt schleppt die Gen Z keinen schwereren Psycho-Rucksack mit sich rum als wir. Sie ist sich aber bewusster, dass der Rucksack da ist. Und sie ist bereit, auch mal da reinzuschauen, und vielleicht den einen oder anderen Knorz zu lösen – bevor Kinder da sind.

Statt in teure Babyvorbereitungskurse oder in Dutzende Ratgeber zu investieren, wären die meisten werdenden Eltern mit einer Psychotherapie wohl besser beraten. Für mich und meine Kids wärs sicherlich besser gewesen, hätte mich vor zwanzig Jahren mal jemand gefragt: «Sind Sie sicher, dass Sie Ihren Kindern vorleben wollen, dass Sie sich selbst nur mögen, wenn Sie in ihren eigenen Augen perfekt sind?» Wir hätten alle mehr davon gehabt als von meiner perfekten Baby- Wickeltechnik.

Von SC am 20. Juli 2024 - 12:00 Uhr