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Der ganz normale Wahnsinn

Wieviel Staat braucht unsere Kindererziehung?

SVP-Nationalrätin Verena Herzog warnt in der Parteizeitung «Klartext» vor der «schleichenden Verstaatlichung» der Kindererziehung. Blödsinn, findet unsere Familienbloggerin. Aber: die Frage danach, wieviel Staat unsere Familien brauchen, darf durchaus gestellt werden.

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Mutter Kita Kind

Wer seine Kinder in eine Krippe abschiebt, soll selbst dafür zahlen, findet SVP-Nationalrätin Verena Herzog. 

Shutterstock

Reden wir doch mal Klartext, liebe Frau Herzog. Staatliche Frühförderung und Kindertagesstätten mit der damaligen erzwungenen Fremdplatzierung von Verdingkindern zu vergleichen, ist dermassen unterste Schublade, dass wir gar nicht darüber diskutieren müssen. Und ein bisschen wundere ich mich schon darüber, dass ausgerechnet Sie als ehemalige Kindergärtnerin vor einer «Verstaatlichung» der Kindererziehung warnen. Zumal Sie ja genau das getan haben, was Sie verteufeln: Kleine Kinder im Auftrag und auf Kosten des Staates erzogen.

Spielen, singen, zeichnen - ein staatlicher Eingriff in die Familie?

Was haben Sie denn damals für ein Bild von diesem Staat erhalten? Mussten Sie den armen Kindern irgendwelche Glaubensbekenntnisse indoktrinieren, die vollkommen gegen unsere gesellschaftlichen und familiären Werte gehen?

Soweit ich mich erinnern kann, haben meine Kinder im Kindergarten gesungen, gespielt und gezeichnet – soweit ich das beurteilen kann ohne irgendwelche politischen Hintergedanken – und Freundschaften geknüpft. Ich habe das nie als «staatlichen Eingriff in die Familie» empfunden. Auch wenn ich keine Wahl hatte, ob ich sie in den Kindergarten schicke oder nicht.

«Es gibt tatsächlich auch sehr viele Familien ohne Migrationshintergrund, die von einer früheren Einschulung profitieren.»

Ich gehe davon aus, dass Sie Ihre seltsame Aussage im «Blick», dass eine obligatorische Früherziehung eine verfehlte Migrationspolitik kompensieren solle, aufs Kindergartenobligatorium beziehen. Dieses wurde unter anderem damit begründet, dass Kinder aus sozial benachteiligten Schichten von der früheren Einschulung profitieren. Solche Familien haben aber nicht alle ausschliesslich Migrationshintergrund. Es gibt tatsächlich auch sehr viele Kinder und Eltern ohne einen solchen, denen eine frühere Einschulung viel bringt.

Die Wahl hat nur, wer sichs leisten kann

In einem bin ich ganz Ihrer Meinung, Frau Herzog: Familien sollen selbst entscheiden können, welches Familienmodell sie leben möchten. Der Staat soll keines bevorzugen oder fördern. Genau das tut er aber, Stand heute. Wissen Sie, wieviele Familien gezwungen sind, ein traditionelles Familienbild – der Mann arbeitet, die Frau erzieht die Kinder – zu leben, weil sie sich kein anderes leisten können?

Weil unser Staat kein verbindliches Gleichstellungsgesetz bietet, das die Wirtschaft dazu verpflichtet, Frauen und Männer gleich zu behandeln und zu bezahlen. Und weil der Staat familien- und schulergänzende Einrichtungen zu wenig fördert. Sie sind nach wie vor für viele Familien unerschwinglich. Die Wahl, Frau Herzog, haben bei uns nur die, die sichs leisten können.

«Wissen Sie, wieviele Familien gezwungen sind, ein traditionelles Familienbild – Mann arbeitet, Frau erzieht die Kinder – zu leben, weil sie sich kein anderes leisten können?»

Offenbar scheint aber genau das Ihre Idealvorstellung zu sein. «Wer seine Kinder abschiebt, soll selbst dafür bezahlen», sagen Sie. Schon klar – es geht in erster Linie ums Geld. Dabei wäre die Frage durchaus berechtigt: Wieviel muss, soll oder darf der Staat in Sachen Kindererziehung zu sagen haben?

Da darf man sicher der Meinung sein, «der Staat solle am besten seine Finger von den Kindern lassen», wie Sie so schön sagen. Nur: wenn er das konsequent tun würde und wir gar keine staatlichen Einrichtungen mehr für Kinder und Familien hätten, könnten sich nur noch reiche Familien Bildung für ihre Kinder leisten. Und wem lägen dann all die ungebildeten Arbeitslosen auf der Tasche? Genau.

Mehr von Familien-Bloggerin Sandra C. lest ihr hier.

Familienbloggerin Sandra C.
Sandra CasaliniMehr erfahren
Von Sandra Casalini am 20. Juli 2019 - 06:09 Uhr