Gerade in dieser Sekunde köchelt neben mir das leisest zubereitete Curry auf der nördlichen Halbkugel. Ich stehe in der Küche meiner Schwester, irgendwo in einem family friendly Quartier in St. Gallen. Vor meinen Laptop gebeugt, schwitze ich zunehmend, weil ich neben dem dampfenden Topf mit dem bis ans Limit gesalzenen Essen stehe. Versalzen ist noch gelinde ausgedrückt. Ich versuche zu ergoogeln, wie man überwürztes Essen entsalzt. Nervös halte ich inne, weil ich glaube, den kleinen Buddha nach seiner Mutter schnalzen zu hören. Nicht sicher weshalb, aber ich kneife die Augen zusammen, um mein Gehör zu schärfen. Falscher Alarm. Oder doch nicht. Doch doch, alles easy, im Kinderzimmer wird entspannt weitergeschlafen und ich überlege mir, ob ich einfach alles nochmal neu kochen soll, um keine Salzvergiftung zu riskieren. Vegiss es, meine Schwester ist schon zurück.
Heute Vormittag habe ich Tanten-Dienst, und bereits nach einer Stunde «nur» Spielen auf der gepolsterten Spielecke bin ich fertig mit den Nerven. Spielen war viel eher Aufpassen, dass sich der kleine Buddha nicht mit einer Zahnbürste seine Luftröhre durchbohrt (wo kommt jetzt die Zahnbürste her?), dass er nicht einen Salto auf die Tischkante macht oder in den Geschirrspüler hechtet, welcher dann zufällt und automatisch anfängt zu laufen. Nach dem «Spielspass» versuchte ich erfolglos, den müden Schlumpf zum Schlafen zu bringen, auf der Liste von meiner Schwester steht nämlich «Um 10:00 Uhr Vormittagspfüsi». Da es schon weit über 11 Uhr war und sich eine Panik über meine Augäpfel schmiegte – ich bin schuld, dass der Sohn meiner Schwester in einen kompletten Jetlag geworfen wird - facetimte ich mit meiner Mutter. Sie erklärte mir in einem entspannten aber doch irgendwie angespannten Ton, was zu tun war: «In den Kinderwagen legen, Decke mitnehmen, Hausschlüssel nicht vergessen, auf Spotify Föhngeräusche suchen und das Handy in den Kinderwagen legen und dann eine Runde im Quartier spazieren!» Vier Minuten und 25 neue graue Haare später stand ich draussen, das Kind hatte sich irgendwie komplett ausgezogen, dafür war wohl die Decke gedacht. Irgendwann konnte ich das endlich schlafende Kind in seinem Schlafzimmer parkieren und meine Schultern wieder entspannen, die sich in den letzten drei Stunden neben meine Ohren platziert hatten.
Als meine Schwester zurück war von ihrem Vormittagstermin, versuchten wir Klein-Buddha vom Süsskartoffelbrei zu überzeugen. Wobei ich drei Spielzeuge und einen Plastikzug, der Tiergeräusche imitiert, auf meinem Kopf drapierte und wild hin und her tanzte (weshalb kommen Tiergeräusche aus einem Zug? Wer stellt dieses unlogische Spielzeug her?). Obwohl Kinder sehr wohl Hunger hätten, muss man ein Ablenkungsmanöver auffahren, als würde man mit George Clooney ein Kasino ausrauben. Irgendwann war der Brei aufgegessen oder sagen wir: Er war teilweise im Magen meines Neffen, teilweise überall sonst. Full of Babybrei in Haaren und Wimpern, konnte ich es wiedermal nicht fassen, wie meine Schwester das täglich auf die Reihe kriegt. Während sie gleichzeitig den Kleinen mit dem Fuss in seiner Schaukel wiegte und den Tisch abräumte, fragte sie mich, ob ich einen Kaffee wolle. Sie fragte MICH! Dabei müsste doch ich ihr tausend Kaffees kochen und den Boden, auf dem sie geht, mit Rosenblüten säumen! Fuckin’ Heroine!
Mit immer noch Brei in den Haaren verabschiede ich mich vom Tanten-Vormittagsdienst. Ich hole einen überteuerten Kaffee am Bahnhof, damit meine Schwester mich nicht BeKaffeeKochen musste und plane bereits den nächsten Frauenstreik, nur für meine Schwester. Sie erwähnte noch nicht mal in einem Nebensatz, dass ich den zMittag massiv versalzen hatte. Mütter sind einfach die besseren Wesen.