Es ist ziemlich naheliegend, dass man in meinem Tätigkeitsfeld früher oder später irgendwelchen «Projekten» in Berlin nachjagt. Also dachte ich mir, ich bringe das dieses Jahr hinter mich, um danach langsam aber sicher endlich erwachsen zu werden. Nach einem Monat Big City-Life in Berlin hier die Zusammenfassung davon, was mir aufgefallen ist: The Berlin-Stuff-Listical:
TXL Bus: Dieser ehrenlose, immer bis unter die Decke mit gefälschten Louis Vuitton-Weekendern und Trecking-Rucksäcken vollgestopfte Flughafenbus, der das Schlimmste aus den Menschen zum Vorschein holt. Hier realisiert man, dass zivilisiertes Verhalten eine Apokalypse keine zwei Sekunden überdauern würde.
Bürgeramt: In kurz: 14 Telefonate (keine humoristische Überspitzung) und fünf Stunden durch Berlin rasen, um einen Zettel abzugeben. Einen. Zettel. Hier fällt auf, dass MEIN zivilisiertes Verhalten in Bezirksgebäuden keine zwei Sekunden überdauert.
Distanzen: Zu gross. Alles viel zu weit voneinander entfernt, vor allem die Bürgerämter. Mein Input an dieser Stelle: alle biz näher rücken.
Vodafon und Telekom: Das Internet in Onurs Wohnung funktioniert seit Tag eins nicht. Er verbringt wöchentlich mindestens drei Stunden in Warteschleifen und Kunden-Chats. Hier habe ich feststellen können, dass Onur Nerven aus Berliner Beamten hat: rau, gradlinig und zäh. (Disclaimer: Onur ist der nette Mann, der mir in Berlin einen Schlafplatz zur Verfügung stellt.)
Leitungswasser: Es ist eine Mischung aus flüssigem Kalk und den Ausscheidungen von arbeitslosen Schauspielern.
Die öffentlichen Verkehrsmittel: Jeden Morgen werde ich von sanftem Uringeruch gefrenchkisst, manchmal gepaart mit den zwiebligen Schweissausdünstungen der Fahrgäste oder Kanalratten, wer weiss das schon so genau.
Die Ampeln: An ihnen gibt es eigentlich nichts auszusetzen. Weil aber das orange Licht fehlt, sind sie für mich das Ritalin der Strassen, die mein Augenlied hektisch zucken lassen. Die Ampel springt von grün ohne Zwischenstopp auf rot. OHNE VORWARNUNG. Jesses, ich hab schon wieder Herzrasen.
Ausreden für Menschen, die nach Kleingeld fragen: Ich habe keine. Ein Drittel meines Einkommens liegt daher auf dem Boden der Kaffee-Pappbecher Berlins.
Hunde-Gaggi: Es scheint nicht en vogue zu sein, den Hundekot seines Dackels aufzuheben in Berlin (Dackel sind die neuen French Bulldogs). Hier liegt so viel Gaggi herum, das man damit Zürich in Originalgrösse nachbauen könnte.
Essen: Der feuchte Traum jeder Veganerin! Tendenziell schon fast überfordernd, diese Riesenauswahl. In der Schweiz kann man gerade mal zwischen Vorspeisensalat in Hauptspeisen-Grösse und Pasta mit Tomatensauce wählen, in Verlin blättert man in fast jedem Restaurant eine Viertelstunde durch die Vegan-Sektion der Speisekarte.
Essen bestellen: Diese Helden des Lieferservices, diese unterbezahlten Könige meines Herzens. Sie bringen Onur und mir an den verkaterten Donnerstagen bis Sonntagen das Essen bis ans Bett. Ich liebe sie und schliesse sie nicht nur ein in meine Gebete, sondern auch mein Testament.
Alleen und Parks: Berlin ist durchzogen von Hunderten von Alleen und knuffigen Parks. Klar würde ich niemals dort meine Picknick-Decke auslegen, um mir von Onur Trauben füttern zu lassen. Ich hätte Angst, mir einen multiresistenten Keim einzufangen oder mich in eine Heroinspritze zu legen. Aber an ihnen vorbeizuschlendern macht das Leben schöner und wenn man Drogen kaufen will, ist in den Parks für jeden was dabei.
Spätis: Ein begehbarer Bierkühlschrank, der mich zu keiner Tages- und Nachtzeit im Stich lässt. Und da wir ja in Berlin sind, gibt es hier auch veganes Eis, was mir meine PMS-bedingte Tobsuchtsanfälle letzte Woche um einiges erleichtert hat.