Weihnachtszeit ist Rezeptezeit. Wir verwenden Rezepte für Guetzli, für die Festtagsgans und für Weihnachtsfilme. Moment – Weihnachtsfilme? Richtig gelesen. Jede und jeder hat wohl schon einmal diese ganz bestimmte Art von Weihnachtsfilm gesehen, dessen Formel simpel ist: Erfolgreiche junge Frau kehrt aus der Grossstadt in einen kleinen verschneiten Ort, um ein Business zu retten oder aufzukaufen, verliebt sich in einen Ortsansässigen – häufig ihr einstiger Schatz aus Schulzeiten – und findet ihren Weihnachtsgeist und die Liebe rechtzeitig für Weihnachten. Es beginnt zu schneien, als es endlich zum Kuss kommt und irgendwo läuft ganz sicher ein Hund durchs Bild.
Manchen dürften jetzt direkt fünf verschiedene Filmtitel in den Kopf schiessen, wenn sie an diese Szenen denken und das ist kein Zufall. Es sind schliesslich Filme nach Rezept. Entwickelt und verfeinert wurde diese Formel von der kanadischen Firma Hallmark – und diese Marke ist inzwischen so erfolgreich mit ihren Weihnachtsfilmen, dass sämtliche Produktionsfirmen sie imitieren. Die Hallmark-Filme und ihre Cousins sind zur Weihnachtszeit bei vielen Pflichtprogramm, obwohl sie zugegebenermassen meistens nicht einmal sonderlich gut sind. Dafür schön billig, denn während «gute» Filme mit hochwertigen Drehbüchern, Plottwists und Schauspielern nicht nur teuer sind, sondern auch lange dauern, ist die Zeitspanne zwischen Drehbeginn und Filmveröffentlichung sehr viel kürzer – für einen Bruchteil des grossen Budgets. Was also macht den Erfolg dieser Filme aus, wenn sie weder gut noch hochwertig produziert sind? Die Antwort darauf ist so einfach wie die Drehbücher der Filme selbst. Der Reiz der Einfachheit.
So schlecht, dass sie schon wieder gut sind
Durch die verhältnismässig anspruchslosen Storylines kann man sich von den Filmen einfach mal berieseln lassen, oder, um in Weihnachtsstimmung zu kommen, Guetzli backen oder die Wohnung dekorieren. Zudem spielen die kitschigen Streifen mit einem Image der heilen Welt in einer Kleinstadt, in der es immer weisse Weihnachten gibt, Kriminalität ein Fremdwort ist und man die Liebe in der Bäckerei um die Ecke findet. Alle kennen sich, alle mögen sich, das Leben ist schön. So eine Vorstellung kann in Anbetracht der kalten Realität ein warmes Gefühl in einem auslösen, wie es sonst nur eine heisse Schoggi in einem Hallmark-Film schaffen würde. Als letztes kommt der Nostalgie-Aspekt hinzu. In den stereotypischen Weihnachtsfilmen sind am Ende alle wichtigen Personen sorglos und glücklich.
Als Kinder waren wir häufig ebenso sorgenfrei und happy. Wir sehen uns entweder nach dieser Zeit zurück oder wünschen uns in unserem jetzigen Dasein ein solch perfektes Leben. Die Hallmark-Filme geben einem die Möglichkeit zu träumen, gleichzeitig aber auch zu lachen, denn am Ende sind es nach wie vor Filme, die einfach nicht besonders gut sind. Und darin liegt das Geheimnis: Eine Prise Nostalgie, eine Messerspitze Einfachheit, gemischt mit einem guten Schluck Weihnachtsklischées, für etwa 90 Minuten die Kamera drauf halten und schon hat man einen Weihnachtsfilm, ganz nach Rezept. Gelingt jedes Mal!
Wer nun Original Hallmark-Filme sehen will, findet manche davon auf AppleTV+, beispielsweise «If I only had Christmas» (zu dt.: «Weihnachtswünsche für den Chef»), «Cross Country Christmas» (zu dt.: «An Weihnachten führen alle Wege nach Hause»), «A Blue Ridge Mountain Christmas» (zu dt.: «Weihnachten in Blue Ridge Mountain») oder «It’s beginning to look a lot like Christmas» (zu dt.: «Der Weihnachtswettbewerb»).
Wer sehen möchte, wie beispielsweise Netflix das Rezept umsetzt und den idealen Weihnachtsfilm backt, der kann sich zum Beispiel die Filme «A Christmas Prince», «The Knight before Christmas», «A Castle for Christmas» oder «Christmas with a View» streamen.
Und wenn ihr einen Eindruck bekommen wollt, wie all die Hallmark Filme ungefähr aussehen, schaut euch die Persiflage auf YouTube an – damit bekommt ihr bestimmt Lust, einen der kitschigen Filme zu schauen, selbst wenn es nur ist, um sich darüber lustig zu machen.