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  4. Kinderwunsch: Mit Social Freezing wollen Frauen ihre biologische Uhr stoppen

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Eieiei! Das solltest Du über Social Freezing wissen

Immer mehr Frauen entscheiden sich dazu, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Damit verschaffen sie sich die Möglichkeit, die Familienplanung hinauszuzögern. Grund dafür seien entgegen dem Klischee selten Karrierepläne, sondern meist das Fehlen eines passenden Partners, sagt Reproduktionsmedizinerin Anna Raggi.

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Immer mehr Frauen setzen auf Social Freezing, um ihre biologische Uhr zu stoppen.

Immer mehr Frauen lassen ihre Eizellen einfrieren, um die Familienplanung aufzuschieben.

Getty Images

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In der Schweiz entscheiden sich Frauen immer später dazu, ein Kind zu bekommen. Während 1980 bloss 35 Prozent der Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes älter als 30 waren, stieg der Anteil bis 2000 auf 59 Prozent. Im Jahr 2020 wurden bereits 73 Prozent der Frauen erst mit Ü30 Mutter.

Ewig hinauszögern lässt sich der Kinderwunsch jedoch nicht. Ab zirka 35 sinkt die Fruchtbarkeit. Doch was tun, wenn man eine Familie gründen möchte, aber Single ist? Oder wenn man schlicht noch nicht sicher ist, ob man Kinder will, aber die biologische Uhr tickt?

Für immer mehr Frauen lautet die Lösung: «Social Freezing». Der Begriff steht für das vorsorgliche Einfrieren von unbefruchteten Eizellen ohne medizinischen Grund. Anna Raggi, Reproduktionsmedizinerin und Mitglied des Vorstands der Schweizerischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin meint dazu: «Wir versichern unser Mobiliar, unsere Fahrzeuge und unseren Schmuck – warum also nicht auch unser körpereigenes Gut sichern?»

Interesse an Social Freezing steigt

Dass das Interesse an Social Freezing steigt, beobachtet sie bei ihrer Arbeit in den Zentren von Fertisuisse in Basel und Olten. Raggi sagt: «Vor fünf Jahren habe ich pro Monat eine bis zwei Frauen zu Social Freezing beraten. Mittlerweile sind es eine bis zwei pro Woche.» Auch in Zürich hat sich die Nachfrage markant erhöht. Im Interview mit nzz.ch sagte Brigitte Leeners, Direktorin der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie des Universitätsspitals Zürich: «Am Anfang war es nur eine Frau alle paar Monate, mittlerweile sehen wir pro Woche zwischen fünf und zehn Frauen mit dem Wunsch, Eizellen einzufrieren.» Die Tendenz sei steigend. 

Die Expertin

Anna Raggi ist Reproduktionsmedizinerin, Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Gründerin der Kinderwunschklinik Fertisuisse.

Anna Raggi ist Reproduktionsmedizinerin, Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Gründerin der Kinderwunschklinik Fertisuisse mit Standorten in Olten und Basel. Sie hat das Buch «Wir wollten Dich» geschrieben.

ZVG

Die Gründe, weshalb sich Frauen für Social Freezing interessieren, ähneln sich meist: «Mehr als zwei Drittel haben noch nicht den richtigen Partner gefunden», sagt Anna Raggi. Einige würden sich dann etwa fürs Einfrieren der Eizellen entscheiden, um eine künftige Beziehung nicht von Beginn an mit dem Kinderwunsch zu belasten. Die meisten ihrer Kundinnen seien ausserdem älter als 30, einige kurz vor 40. Ideal wäre es, die Eizellen würden zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr entnommen und eingefroren. Mit steigendem Alter sinkt die Chance, dass genügend Eizellen von guter Qualität gewonnen werden können. Eine klare Grenze, bis wann eine Eizell-Entnahme durchgeführt wird, gibt es zwar nicht, aber der Eingriff muss Sinn machen. Grundsätzlich gelte bei Social Freezing: «Je früher, desto besser.»

«Mehr als zwei Drittel haben noch nicht den richtigen Partner gefunden.»

Anna Raggi

Wichtig ist Anna Raggi, in einem ausführlichen Beratungsgespräch über alle Chancen und Risiken zu informieren und keine falschen Hoffnungen zu schüren: «Schätzen wir, dass bei einer über 40-Jährigen bloss zwei Eizellen entnommen werden können, raten wir vom Einfrieren ab», sagt sie. Wurden jedoch bei einer unter 35-jährigen Frau die ideale Anzahl von 20 bis 30 Eizellen gewonnen, liege die Wahrscheinlichkeit, dass sie später ein Kind bekommen kann, bei über 90 Prozent. Weiter wird im Gespräch natürlich auch über die Vorgehensweise bei der Eizellentnahme aufgeklärt. 

Hormone verhindern vorzeitigen Eisprung

Entschliesst sich eine Frau dazu, steht vor dem eigentlichen Eingriff eine Hormonbehandlung an. Dabei muss sich die Frau während zehn bis 14 Tagen körpereigene Hormone unter die Haut spritzen, die das Wachstum der Eibläschen unterstützen und weitere Hormone, die einen vorzeitigen Eisprung verhindern. Ob dies wie gewünscht funktioniert, wird mehrmals mittels Ultraschall und Blutentnahme kontrolliert. In einigen Fällen werden schon vor dieser Hormonbehandlung Gelbkörper-Hormone oder Östrogen-Tabletten verabreicht, um den Zyklusstart zu planen. Die Entnahme der Eizellen dauert dann bloss zirka 15 Minuten. Während die Frau sediert ist, werden die Eizellen durch die Scheide entnommen und sofort bei minus 196 Grad Celsius in flüssigem Stickstoff eingefroren. 

«Die Behandlung ist für die meisten Frauen emotional anstrengender als körperlich.»

Anna Raggi

Anna Raggi findet: «Die Behandlung ist für die meisten Frauen emotional anstrengender als körperlich.» Die Nebenwirkungen durch die verabreichten Hormone würden sich in Grenzen halten. «Einige Frauen sind müder als sonst, haben Kopfschmerzen und gegen Ende der Behandlung Bauchschmerzen, weil sich die Eierstöcke vergrösserten.» Zwei Drittel ihrer Patientinnen spüren aber kaum etwas. Herausfordernd sei vielmehr, dass die meisten Frauen auf sich allein gestellt sind: «Sie haben keinen Partner, der sie beim Spritzen der Hormone unterstützt oder sich am Tag der Eizellentnahme um sie kümmert.» Sie rate deshalb stets dazu, sich von einer Freundin oder den Eltern begleiten zu lassen. 

Bei Social Freezing werden Eizellen bei minus 196 Grad Celsius in flüssigem Stickstoff eingefroren.

Bei Social Freezing werden Eizellen bei minus 196 Grad Celsius in flüssigem Stickstoff eingefroren.

Getty Images/Science Photo Libra

Für die Kosten des Social Freezings müssen die Frauen selbst aufkommen. Gemäss Anna Raggi belaufen sie sich pro Behandlungszyklus auf 4’000 bis 6’000 Franken. Hinzu kommen jährliche Kosten für das Aufbewahren der Eizellen. Die Krankenkasse bezahlt nur, wenn ein medizinischer Notfall vorliegt. Zum Beispiel, wenn sich die Frau einer Chemotherapie unterziehen muss, welche die Eizellen beschädigen kann. Dann spricht man jedoch von Medical Freezing oder dem Anlegen einer Fertilitätsreserve.

Das Body & Health Lab

Im Body & Health Lab beschäftigen wir uns mit aktuellen Themen aus den Bereichen Mental Health, Body Science sowie Innovation und Digitalisierung. Welche Technologien, Trends und Therapien sind richtungsweisend? Was tut sich gerade in der Forschung? Und wer sind die Menschen dahinter? Fundiert recherchierte Artikel geben Auskunft. Unterstützt werden wir dabei von unserem langjährigen Partner Toyota. Auch Toyota ist stets bestrebt, neue Lösungen zu finden und Innovationen voranzutreiben mit dem Ziel, unser Leben und unsere Zukunft besser und nachhaltiger zu machen.

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In den USA zeichnet sich seit einigen Jahren ein Trend ab: 2014 verkündeten die Unternehmen Apple und Facebook, dass sie ihren Mitarbeiterinnen das Social Freezing bezahlen. Mittlerweile beteiligen sich laut «Forbes» ein Fünftel der grossen US-Firmen daran. Was grosszügig klingt, hat einen schalen Beigeschmack: «Mir wäre lieber, die Unternehmen würden sich mehr darum bemühen, dass Frauen Job und Familie besser vereinbaren können», sagt Anna Raggi. Sie finde es nicht grundsätzlich falsch, betroffene Frauen finanziell zu unterstützen, es sollte aber nicht das Gefühl vermittelt werden, dass es für die Karriere besser sei, den Kinderwunsch hinauszuzögern. Zumal eine späte Schwangerschaft mit Risiken verbunden ist. 

Karrierepläne sind selten der Grund

In der Schweiz ist bislang keine Firma bekannt, die für Social Freezing aufkommt. Doch für ihre Kundinnen seien sowohl Karrierepläne als auch Kosten in der Regel sekundär, sagt Anna Raggi. «Die meisten Frauen sind einfach froh, dass sie etwas unternehmen können, um ihre Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen.» 

Allerdings können sie nicht ohne weiteres auf ihre eingefrorenen Eizellen zurückgreifen. Diese werden nur herausgegeben, wenn die Frau über längere Zeit vergeblich versucht hat, auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Ausserdem dürfen die Eizellen gemäss dem eidgenössischen Fortpflanzungsmedizingesetz nur zehn Jahre gelagert werden. Aus Sicht von Anna Raggi ist dies paradox: «Einerseits sollten die Frauen möglichst früh die Eizellen einfrieren, um ihre Chancen auf eine spätere Schwangerschaft zu erhöhen, andererseits können sie dann unter Umständen bereits mit Mitte 30 nicht mehr auf sie zurückgreifen.» Sie würde eine Altersgrenze bevorzugen, die besagt, bis wann eine Schwangerschaft erzielt werden darf – und zwar unabhängig davon, wie lange die Eizellen bereits eingefroren waren.

Bislang werden weltweit bloss 10 bis 20 Prozent der eingefrorenen Eizellen tatsächlich genutzt. Dies, weil viele der Frauen, die sich für Social Freezing entscheiden, doch auf natürlichem Weg schwanger werden. Dass Social Freezing deshalb meist überflüssig ist, findet Anna Raggi aber nicht. Sie betrachtet die eingefrorenen Eizellen in diesen Fällen als «ein Geschenk, das man doch nicht braucht».

Von fei am 19. November 2023 - 13:02 Uhr