Style: Dr. Neumann, warum finden wir diese Jahreszeit zum Gähnen?
Rositsa Neumann: Die Ursachen für die anhaltende Müdigkeit sind vielfältig: Neben der Zeitumstellung, die für einen leichten Schlafmangel oder Einschlafstörungen sorgen kann, kommen auch hormonelle Faktoren und ein Vitamin-D-Mangel hinzu. Um das körpereigene Vitamin zu produzieren, benötigt der Organismus Sonnenlicht. Dieses kann er speichern, aber nicht unbegrenzt lange. Die Vorräte können manchmal am Ende des Winters erschöpft sein.
Können Sie das etwas genauer erläutern?
Während der dunklen Wintermonate läuft in unserem Organismus die Produktion des Schlafhormons Melatonin auf Hochtouren. Es sorgt dafür, dass wir am Abend müde sind und schlafen können. Ein weiteres Hormon, das für die anhaltende Müdigkeit verantwortlich ist, ist das Glückshormon Serotonin. Da es lichtabhängig ist, kommt es im Winter zu kurz. Sobald die Tage länger werden, schüttet es unser Organismus wieder verstärkt aus. Der Hormonhaushalt unseres Körpers muss sich wieder regulieren. Das kann zu Müdigkeit und Antriebslosigkeit führen. Auch die wechselhaften und steigenden Temperaturen können eine Belastung für unseren Körper sein. Es kommt zur Erweiterung der Blutgefässe und zu einem niedrigeren Blutdruck, was bei Müdigkeit und Kopfschmerzen eine Rolle spielen kann.
Und in puncto Zeitumstellung?
Hier verlieren wir am Morgen eine Stunde Schlaf und müssen zusätzlich früher ins Bett gehen, was zu Einschlafstörungen führen kann. Zudem ist diese Umstellung auch ein Stress für den Körper. Die innere Uhr benötigt Wochen, um diese Veränderungen kompensieren zu können.
Wer ist davon besonders betroffen?
Jede*r kann gewissermassen davon betroffen sein. Dabei sind insbesondere Menschen, die in den Wintermonaten nicht ausreichend Sonne tanken, dafür anfällig. Zum Beispiel ältere mit Bewegungseinschränkungen und limitierten Möglichkeiten, Zeit im Freien zu verbringen. Aber auch eine unausgewogene Ernährung kann Frühjahrsmüdigkeit begünstigen.
Wie können wir vorbeugen?
Mit gewissen Verhaltensanpassungen können wir besser damit umgehen. Ein regelmässiger Schlafrhythmus, viel Bewegung und Zeit an der Sonne können dabei helfen.
Wie sieht es mit einem Mittagsschlaf aus?
Entspannungspausen und kurze Nickerchen sind empfehlenswert. Ein Powernap sollte allerdings maximal 15 bis 20 Minuten dauern. Er sorgt dafür, dass wir danach erholt sind und besser funktioniert. Indem wir innerhalb von 20 Minuten keinen Tiefschlaf erreichen, sind wir danach schneller wach und energiegeladen. Schlafen wir allerdings länger als empfohlen, riskieren wir, dass wir in der Nacht nicht einschlafen können oder häufiger aufwachen und uns danach träge fühlen oder mehr Zeit als sonst zum Aufwachen benötigen. Apropos schlafen, der Schlafbedarf ist individuell. Die meisten Menschen benötigen zwischen sieben bis acht Stunden Schlaf – jüngere etwas mehr –, um ausgeruht zu sein.
Was, wenn die Müdigkeit dennoch nicht aufhören will?
Ist nach zwei bis vier Wochen nicht Schluss, handelt es sich bei den Symptomen nicht um eine Frühjahrsmüdigkeit, sondern um eine andere Ursache wie einen Vitamin- oder Eisenmangel, eine Unterfunktion der Schilddrüsen, Schlafstörungen, körperliche oder psychische Probleme. Diese müssen ja nach Diagnose spezifisch behandelt werden.
Tipps gegen die anhaltende Müdigkeit
- Regelmässige Bett- und Aufstehzeiten sowie eine ausreichende Schlafdauer sorgen für einen konsequenten Schlafrhythmus und Erholung. Der Schlafbedarf ist individuell. In der Regel reichen sieben bis acht Stunden.
- Natürliches Sonnenlicht hilft vor allem am Morgen dabei, die innere Uhr zu synchronisieren. Ausserdem trägt es zur körpereigenen Vitamin-D-Bildung bei.
- Wer sich regelmässig an der frischen Luft bewegt, trägt zur Stärkung und Mobilisierung des Kreislaufs bei und beugt Blutdruckschwankungen vor.
- Frisches Obst und Gemüse, das reich an Vitaminen und Mineralien ist, sollte fettigen Speisen vorgezogen werden. Eine ausgewogene Ernährungsweise ist der Schlüssel.