Taffe Manager*innen brüsten sich, nur vier bis fünf Stunden zu schlafen und trotzdem wichtige Entscheidungen treffen zu können. Da widersprechen Schlafforscher*innen vehement. Schon nach einer Nacht mit weniger als sechs Stunden Schlaf schneide man bei Konzentrationstests schlechter ab. Napoleon allerdings betitelte Langschläfer*innen als «Idioten». Wörtlich soll er gesagt haben: «Vier Stunden schläft der Mann, fünf die Frau, sechs ein Idiot.» Dass er auf langen Reisen im Sattel gedöst und sogar während Schlachten geschlafen hat, behielt er für sich. Es gibt aber auch berühmte Langschläfer. Der geniale Physiker Albert Einstein soll zehn bis zwölf Stunden pro Nacht geschlafen haben.
Warum schlafen wir? Der Hauptgrund für unser Bedürfnis nach Schlaf ist unser Gehirn. Es arbeitet tagsüber auf Hochtouren. Sinneseindrücke und komplexe Informationen müssen fortlaufend verarbeitet werden. Nach etwa 16 Stunden ist die Kapazität des Gehirns erschöpft. Es benötigt Schlaf, damit sich die Nervenzellen erholen können. Gedächtnisprozesse laufen im Schlaf ab, werden zwischengelagert, und erst wenn Informationen und Eindrücke versiegen, werden sie reaktiviert. Organe und das Immunsystem können sich während des Schlafs regenerieren, und auch der Prozess der Wundheilung findet vor allem im Schlaf statt. Gleichzeitig erhält der Körper die Möglichkeit zur Entgiftung, das heisst, Stoffwechselprodukte, die der Körper nicht benötigt, werden vor allem nachts ausgeschieden.
Das Schlafbedürfnis ändert sich im Laufe des Lebens. Neugeborene Babys beginnen mit circa 15 Stunden Schlaf, bei manchen sind es 20. Je älter wir werden, desto mehr nimmt der Schlafbedarf ab. Bei 20-Jährigen liegt der Durchschnitt meist bei den bekannten sieben bis acht Stunden. Bis zum Pensionsalter nimmt der Schlafbedarf nochmals ein bis zwei Stunden ab. Im höheren Alter brauchen wir noch weniger Schlaf. Der Schlafrhythmus tickt aber bei jedem anders.
Stellt sich nun die Frage: Lang oder nur kurz schlafen – was ist besser? Wissenschaftler*innen aus Kanada fragten in einem Mammut-Forschungsprojekt 117 000 Teilnehmende aus 21 Ländern, wann sie abends ins Bett gehen und wann sie aufwachen. Zudem sollten sie angeben, ob und wie lange sie Nickerchen halten. Daraus berechneten die Forscher*innen die nächtliche sowie die gesamte Schlafdauer. Bei Studienbeginn waren die Teilnehmenden im Schnitt 50 Jahre alt. Rund 43 Prozent schliefen insgesamt sechs bis acht Stunden täglich, 26 Prozent acht bis neun Stunden, 9,5 Prozent sechs oder weniger Stunden. Neun bis zehn Stunden benötigten 14 Prozent und noch mehr Schlaf 7,5 Prozent.
Dickmacher Schlafmangel
Die extremen Vielschläfer*innen im Test waren im Schnitt etwas älter, körperlich träger, depressiver, rauchten häufiger und tranken deutlich mehr Alkohol als die übrigen Teilnehmenden. Auch litten sie vermehrt an hohem Blutdruck und COPD, der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung. Im Lauf von knapp acht Jahren beobachteten die Forscher*innen über 7300 kardiovaskuläre Ereignisse bei extremen Langschläfer*innen. Es starben 4400 Teilnehmer*innen, fast ebenso viele erlitten einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall.
Kurzschläfer*innen produzierten vermehrt Unfälle, was darauf hindeutet, dass sie nicht ganz ausgeschlafen waren. Auch schien die Rate von kardiovaskulären Ereignissen und Sterbefällen etwas höher zu sein. Gesichert ist, dass zu wenig Schlaf dick macht. Der Grund: Es kommt zu einem Ungleichgewicht im Hormonhaushalt. Bei zu wenig Schlaf produziert der Körper nicht mehr genug vom Hormon Leptin, das unseren Hunger zügelt. Dafür kommt mehr Ghrelin, ein appetitanregendes Peptid, in den Magen.
Dieser Stoff sorgt dafür, dass man mehr isst. Das scheint die Untersuchung mit ihrem erhöhten Anteil von Übergewichtigen und Diabetiker*innen unter den Kurzschläfer*innen zu bestätigen.
Die wenigsten negativen Ereignisse fanden die Forscher*innen in der Gruppe mit sechs bis acht Stunden Schlaf. Die Resultate zeigen, dass zu wenig Schlaf nicht gesund ist, während Langschläfer*innen tendenziell schon nicht gesund sind. Hinter ungewöhnlich viel Schlaf verbirgt sich möglicherweise eine Grunderkrankung.