Es sind erst fünf Tage vergangen, seitdem mein Freund und ich beschlossen haben, wegen des Coronavirus nicht mehr unsere Wohnung zu verlassen. Der Grund: Zuerst litt ich unter einer fiesen Erkältung, jetzt er. Wir sind uns zwar sicher, Corona ist es nicht, das Risiko, andere anzustecken, wollen wir aber trotzdem nicht eingehen – man weiss ja nie.
Für das eine oder andere Paar (oder auch die WG) mag das keine Challenge sein, für uns ist das 24/7-Aufeinanderhocken komplett neu. Er: wegen seiner Anstellung in Bern normalerweise immer recht spät daheim und wegen seiner Band oft am Proben und Reisen. Ich: abends zwar theoretisch viel früher daheim, aber am liebsten noch lang mit Freunden unterwegs. Und: gewisse Sachen machen wir halt eh lieber allein – ich zum Beispiel meine besten Freundinnen und die Familie in Deutschland besuchen. Unserer Beziehung tut der regelmässige Abstand gut. Wir können uns oft vermissen und bewahren so unsere Schmetterlinge im Bauch.
Dann kam Corona. Jetzt erleben wir das, was wir sonst nur in den Ferien konnten – er und ich. Rund. Um. Die. Uhr. In einer 80 Quadratmeter Wohnung – SOS. Wie unser Alltag gerade aussieht? Wir sitzen mit unseren Laptops (auch in diesem Moment) schätzungsweise 30 Zentimeter voneinander entfernt am selben Tisch und arbeiten. Von morgens bis abends. Zwischendrin gibts mal ein Küsschen oder die typische Frage nach dem «Was essen wir heute» – zugegeben kommt die meist von mir. Erst pflegte er mich mit jeder Menge Tee und Suppen gesund, jetzt ich ihn. Ein Traum.
Doch neben der ausgetauschten Zärtlichkeit und Fürsorge hat das enge Zusammenleben leider auch seine Nachteile. Für ihn muss es tagsüber nicht still sein. Am liebsten würde er die ganze Zeit Musik anmachen. Und leider nicht das neue Harry-Styles-Album, sondern Punk-Geschrabbel, auf das ich in der Regel nicht so stehe. Vor allem nicht, wenn ich mich konzentrieren muss. Hinzukommt: News sind alles. Es vergehen praktisch keine dreissig Minuten, in denen nicht der aktuelle Corona-Stand gecheckt wird. Könnte mir egal sein, denkt man. Wenn ich, die sich weniger ablenken lässt, aber jedes Mal (viel) früher fertig bin und deshalb alleine den Kochlöffel schwingen muss, dann leider schon. Ob ich nicht einfach warten könnte? Ausgeschlossen. Ihr kennt «hangry Denise» nicht.
Meine weiteren Schwächen? Ich kann nicht so gut das stille Örtchen aufsuchen, wenn er zu Hause ist. Jo, mega Problem gerade. Und: Die Situation macht mich schon jetzt so verrückt, dass ich jeden Abend nach dem Essen meine fünf Minuten bekomme, in denen ich ausflippe. Also im positiven Sinne. Singend fetze ich durch die Wohnung. Gestern gab ich bei meiner Performance zu Beyoncés «Listen» echt alles. Und der Herr? Der schaut nicht mal hin! Da war ich beleidigt. Immerhin stehe ich bei seinen Konzerten ja nun mal auch immer in vorderster Reihe.
Massnahmen, die das Zusammenleben einfacher gestalten
Klar, das ist jetzt alles nichts Weltbewegendes, aber wir haben ja auch noch mindestens einen Monat des Zuhausebleibens vor uns. Und damit es nicht irgendwann wirklich eskaliert, haben wir Abmachungen getroffen:
Dem Partner trotz räumlicher Enge Freiraum lassen
Bedeutet: Ruft die Freundin/der Freund/Mama/Papa an, dann gehen wir schon mal ins andere Zimmer und schliessen die Tür. Und auch, wenn dem einen gerade mal nach etwas anderem, als dem Zusammensein ist (lesen, Musik machen …), dann macht er das halt. Ohne, dass jemand von uns beleidigt ist. Auch wenn es komisch ist. Weil immer, wenn wir mal zusammen zu Hause waren, haben wir in der Vergangenheit dann meist halt auch Dinge gemeinsam gemacht.
Miteinander reden, nicht streiten
Die erste Abmachung, die wir gleich am ersten Tag des Aufeinanderhockens getroffen haben: Falls wir vom anderen genervt sind, sprechen wir es gleich an – und zwar nett. Sodass es im besten Fall gar nicht erst zu einem Streit kommen kann.
Kompromisse eingehen
Nervt den anderen basierend auf der zweiten Regel etwas mega, dann muss ein Kompromiss her. Im Fall des Musikhörens: Mein Freund hört während des Arbeitens über Kopfhörer, in unseren Pausen schalten wir dann die Anlage an.
Dankbar sein
… und zwar füreinander. Es gibt andere da draussen, die nicht das Privileg haben, mit einem Partner, den sie lieben, zusammenzuleben. In einer Krisensituation, in der man schon mal schnell Angst bekommen kann, haben wir uns. Und das mehr denn je.