1. Home
  2. Body & Health
  3. Mind
  4. LGBTQ: Darum ist der Pride Month mehr als notwendig
Mehr als Glitzer und bunte Regenbogen

Darum ist der Pride Month mehr als notwendig

Auch, wenn die Umzüge in diesem Jahr ausfallen: Im Juni ist Pride Month. Das ist wichtig, denn es geht um viel mehr als nur ausgelassene Partys. Noch immer gibt es in Sachen Gleichberechtigung einiges zu tun. Und das fängt schon bei der Existenzberechtigung an.

Artikel teilen

Pride Month

Der Pride Month ist überflüssig? Wer das denkt, hat einiges nicht verstanden. 

Barcroft Media via Getty Images

Am 28. Juni 1969 vollzog die Polizei eine Razzia im Stonewall Inn, einer Schwulenbar in New York. Nicht, weil sie dort Drogen oder Menschenhandel vermutete. Das kriminelle Vergehen war allein die sexuelle Orientierung der Männer vor Ort – doch diese wehrten sich gegen den Polizeieinsatz und protestierten. Ein Jahr später fand am gleichen Tag der erste Gay Pride March statt, bis heute steht der Juni als Queer Pride Month. «Weltweit», würden wir gerne schreiben, doch so ist es leider nicht. Zwar sind wir heute näher an einem Punkt der Gleichberechtigung als 1969, aber noch immer viel zu weit entfernt. 

Menschen sterben, weil sie anders lieben

30 Jahre ist es her, dass die WHO offiziell erklärt hat, dass es sich bei Homosexualität nicht um eine Krankheit handelt. Danke … Leider ist diese Message auch 2020 ganz offensichtlich noch nicht bei allen angekommen. Weder in allen Köpfen, noch in allen Ländern. Bis heute zählt es in 70 Ländern als Verbrechen, LGBTQ+ zu sein. In 12 davon steht auf dieses «Vergehen» die Todesstrafe. 

Heiraten zu dürfen, ist immer noch ein Privileg

In 39 Ländern ist die Ehe zwischen zwei Frauen oder zwei Männern mittlerweile erlaubt. Je nachdem, von wie vielen Ländern man ausgeht (bis heute ist die unabhängige Existenz einiger Staaten umstritten) sind es knapp 160, die homosexuellen Personen dieses Recht absprechen. Die Schweiz eingeschlossen. Diese Tatsache vermittelt ziemlich deutlich: Euch stehen nicht die gleichen Rechte zu wie Heterosexuellen, denn ihr seid nicht gleichwertig. Dabei sind wir doch alle Menschen.

Wer aus der Reihe tanzt, wird komplett vergessen

Wir haben gerade von Heirat zwischen homosexuellen Paaren gesprochen. Intersexuelle Menschen aber (die sich also keinem Geschlecht eindeutig zuordnen können und das inzwischen auch nicht mehr müssen), wurden im Deutschen Gesetz, das erst 2017 verabschiedet wurde, schlicht ignoriert, wenn wohl auch nicht aus böser Absicht. Im Gesetz steht: Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Also kein Geschlecht = keine Ehe? Wie das in der Praxis aussieht, ist bisher noch nicht bekannt. 

Vorurteile gibt es auch in der Schweiz

Eine Untersuchung der ZHAW zeigt, dass 10,8 Prozent aller Erwachsenen in der Schweiz Homosexualität für unmoralisch halten. 22,7 Prozent finden, dass Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren nicht erlaubt sein sollten. Das Problem ist dabei nicht etwa nur die ältere Generation: In einer Jugendbefragung von 2017 waren die Werte sogar höher als bei der neuen Untersuchung. 14,3 Prozent empfanden gleichgeschlechtliche Liebe als unmoralisch, 23,3 Prozent gaben an, einen Kuss zwischen Homosexuellen in der Öffentlichkeit als «ekelhaft» zu empfinden. Auch Gewalt gegen Menschen aus der LGBTQ+ Szene, ist leider immer noch an der Tagesordnung. Bei der Hatecrime-Meldestelle der Schweiz gingen 2019 ganze 66 Meldungen wegen Diskriminierung ein. Bei einem Drittel davon kam es zu körperlicher Gewalt. Der Polizei gemeldet wurden allerdings nur insgesamt 12 Fälle. Von der Dunkelziffer wollen wir gar nicht erst anfangen …

Wir haben mehr Nachholbedarf, als wir denken

Die ILGA Europe (die europäische Abteilung der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) hat die Schweiz in ihrer jährlichen Rangliste der 49 europäischen Länder zu LGBTQ+ Rechten gerade mal auf Platz 23 gestellt. Die Gründe dafür sind neben der immer noch fehlenden Option der Heirat (und damit dem Schutz von Familien und Kindern) auch der fehlende Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und der Schutz vor Hatespeech und Hatecrime. Denn – Überraschung – auch das frisch eingeführte Anti-Diskriminierungsgesetz hat jemanden vergessen. Der Schutz vor Diskriminierung bezieht sich nur auf die sexuelle Orientierung – also Hetero-, Homo-, Bi- oder Pansexualität. Trans- und intersexuelle Personen sind nicht eingeschlossen. Liegt es an der fehlenden Sichtbarkeit, dem Bewusstsein? Das kann man nur vermuten. Auf jeden Fall ist es ein grosses Zeichen dafür, dass der Pride Month längst noch nicht überflüssig ist. Weder hier, noch sonst irgendwo. 

Von Malin Mueller am 3. Juni 2020 - 16:09 Uhr