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Zart besaitet

Hochsensibilität: Herausforderungen und Tipps

Kennt ihr das, wenn ihr nach einem langen Tag voller Meetings, Lunch-Dates und einer kreischenden Schulklasse im Zug am Abend nur noch ins Bett fallen und alle Geräusche ausblenden wollt? Was für die meisten ein anstrengender, aber normaler Tag ist, bedeutet für Hochsensible Horror pur.

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Hochsensibilität

Frauen sind gleichermassen von Hochsensibilität betroffen wie Männer.     

Getty Images

«Jetzt stell dich nicht so an.» – «Sei nicht immer so empfindlich.» Solche Sätze müssen sich vor allem Hochsensible häufig anhören. Auf der ganzen Welt gelten etwa 20 Prozent der Menschen als hochsensibel. Das bedeutet, sie nehmen äusserer Reize viel intensiver wahr als andere. Laute Geräusche wie zum Beispiel ein vorbeifahrender Krankenwagen, bringen Hochsensible komplett aus dem Gleichgewicht. Ihr reizempfängliches Nervensystem ermöglicht es ihnen, die Aussenwelt sehr nuanciert wahrzunehmen. Wie ein Schwamm saugen sie alles auf, was auf sie einströmt. Das kann einen ziemlich schnell an die Belastungsgrenzen bringen. Denn durch die äusserst intensive und detailreiche Auffassung, kann es zu einer Reizüberflutung kommen. Es ist als ob hochsensiblen Menschen ein «Filter» fehlt, der sie vor zu vielen Einflüssen schützt. Zu diesen Einflüssen zählen Geräusche, Gerüche, Gedanken oder Gefühle. Hochsensible sind deshalb vermehrt auf Erholungspausen angewiesen, um die aufgenommenen Eindrücke und Informationen zu verarbeiten.

Krankheit oder Charaktereigenschaft?

Zum Thema Hochsensibilität gibt es immer noch viel zu erforschen. Der Begriff wurde erstmals 1997 von der US-Psychologin Elaine Aron definiert und findet seither immer mehr Beachtung. Was für die Betroffenen sehr hilfreich ist. Denn nicht selten haben sie vor der «Diagnose» das Gefühl, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, oder sie an einer psychischen Krankheit leiden. Oft machen sie deshalb unzählige Therapien, bevor sich herausstellt, dass sie von Natur aus sehr dünnhäutig sind. «Diagnose» ist in diesem Zusammenhang übrigens das falsche Wort. Denn Hochsensibilität ist weder eine Störung, noch ein Syndrom, sondern gilt als Veranlagung. Es ist vererbbar und in den meisten Fällen wird man damit geboren. Einige Forscher sind aber der Meinung, dass man auch im Laufe seines Lebens noch hochsensibel werden kann. Zum Beispiel ausgelöst durch ein Trauma. Zu dieser Theorie fehlen allerdings noch die eindeutigen Beweise.  

Fluch oder Segen?

Wer jetzt denkt, Hochsensibilität hat nur negative Seiten, liegt falsch. Denn unter der zarten Haut von Hochsensiblen verstecken sich wertvolle Eigenschaften. Sie sind besonders empathisch und können dadurch besser auf die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen eingehen. Ausserdem sind sie wahre Experten für Emotionen. Einerseits kann es sehr anstrengend sein, so viel zu fühlen, andererseits wird das Leben so voll und ganz ausgekostet. Dazu gehört auch die Gabe, sich unglaublich gut in andere Menschen hineinzuversetzen und deren Gemütszustand zu erfassen. Hochsensible sind deshalb besonders für soziale und erzieherische Berufe geeignet. Sie kümmern sich gerne um andere und sind hilfsbereit. Durch ihr gutes Einfühlungsvermögen sind sie die besten Verhandlungskünstler und lösen Konflikte, ohne dabei jemanden zu verletzen. Sie betrachten das Problem von allen Seiten und können schnell abwägen, was die optimale Lösung für alle ist. 

Hochsensibilität erkennen

Fragt ihr euch gerade, ob ihr selber hochsensibel seid? Oder habt jemanden aus eurem Umfeld im Kopf, den ihr als hochsensibel einstufen würdet? Zieht lieber keine voreiligen Schlüsse, denn Hochsensibilität ist nicht mit Introvertiertheit zu verwechseln. Letzteres bedeutet, dass man Energie tankt, wenn man alleine ist. Das heisst aber nicht, dass man gleichzeitig auch hochsensibel sein muss. Extrovertierte Hochsensible erkennt man daran, dass sie ständig auf Achse und – vielleicht gerade deshalb – permanent überreizt sind.

Um Hochsensibilität zu definieren, braucht es ausgefeilte Fragebögen. Psychologin Elaine Aron hat folgende Anhaltspunkte zusammengestellt, die eine erste Einschätzung ermöglichen:

  • Seid ihr von Reizen wie grellem Licht, starken Gerüchen, rauem Stoff oder lauten Geräuschen leicht überfordert?
  • Kommt ihr leicht aus dem Konzept, wenn ihr eine Menge in kurzer Zeit zu erledigen habt?
  • Achtet ihr besonders drauf, keine gewalttätigen Filme und brutalen TV-Shows zu schauen?
  • Habt ihr an geschäftigen Tagen das Bedürfnis, euch ins Bett, einen abgedunkelten Raum oder an einen anderen Ort zurückzuziehen, an dem ihr ungestört seid und euch erholen könnt?
  • Hat es für euch hohe Priorität, euer Leben so einzurichten, dass ihr aufregende und überfordernde Situationen vermeidet?
  • Habt ihr ein reiches und komplexes Innenleben?
  • Wurdet ihr von euren Eltern und Lehrern in der Kindheit als sensibel oder schüchtern angesehen?

 

Von Style am 30. Oktober 2022 - 11:00 Uhr