Zurzeit verlassen wir nicht nur unser Zuhause bei Dunkelheit, sondern betreten es auch erst im Dunkeln wieder. Kein Wunder, dass der Lichtmangel im Winter auf Dauer auf unser Gemüt schlägt. Bei einigen kann das früher oder später sogar zu einer Winterdepression führen. Dr. med. Jens Georg Acker über das saisonale Stimmungstief und darüber, wie Licht helfen kann.
Inwiefern beeinflussen Licht und Dunkelheit unsere innere Uhr?
Jens Georg Acker: Wir alle erleben, wie unsere innere Uhr aus dem Takt gerät, wenn wir über mehr als drei Zeitzonen reisen. Diese Verschiebung nehmen wir als Jetlag wahr. In der nördlichen Hemisphäre spüren wir im Winter zudem die längeren Nächte und die kürzeren Tage. Fast alle Menschen erleben somit in den Wintermonaten eine leichte Verschlechterung der Stimmungslage. Fällt diese stärker aus, sprechen wir von einer saisonalen Depression.
Also eine Winterdepression?
Ja, so wird sie im Volksmund auch genannt. Kennzeichen sind eine gedrückte Stimmung in der dunklen Jahreszeit, Heisshunger auf Süssigkeiten und vermehrtes Schlafbedürfnis. Die saisonale Depression ist somit eine Lichtmangelstörung, die gut auf eine Lichttherapie anspricht.
Was ist der Unterschied zu einer klassischen Depression?
Die saisonale Depression ist üblicherweise an den Wechsel der Jahreszeiten gebunden und klingt mit der Verlängerung der Tage im Frühjahr wieder ab. Dies sollte über mehrere Jahre der Fall gewesen sein, damit die Diagnosekriterien erfüllt werden.
Wie wird die Lichttherapie eingesetzt?
Lichttherapie als ein natürliches Verfahren kann breit eingesetzt werden. Somit können Menschen auch einen Behandlungsversuch in Eigenregie mit einer selbst gekauften Lichttherapielampe wagen. Die Lampen sind in der heutigen Zeit deutlich günstiger geworden und können prinzipiell zulasten der Krankenkasse verordnet werden, was jedoch den Diagnosekriterien einer saisonalen Depression entsprechend durch eine Psychiaterin oder einen Psychiater erfolgen muss. Bei einer leichteren Form der Stimmungsveränderung kann die Lampe prophylaktisch als «Wellnesstherapie» selbst gekauft und eingesetzt werden. Grundsätzlich birgt eine Lichttherapie kaum Risiken.
Reichen Lichttherapielampen aus dem Fachhandel aus?
Medizinische Lichttherapielampen erfüllen verschiedene Sicherheitskriterien wie ausreichende UV-Filter und mindestens 10 000 Lux Helligkeit. Aus medizinischer Sicht sind Geräte aus dem Fachhandel mit einer Gerätezulassung empfehlenswert. Hände weg von Geräten aus Fernost, wie sie heutzutage zahlreich über das Internet verfügbar sind. Sie sind weder geprüft noch getestet.
Wie viel Licht benötigt denn unsere innere Uhr pro Tag?
Wir arbeiten überwiegend in geschlossenen Gebäuden. Die wenigsten Menschen sind in natürlichen Berufen unter freiem Himmel tätig. Ideal ist eine tägliche Aktivität im Freien wie Laufen oder Spazierengehen über eine Zeitdauer von 30 bis 60 Minuten pro Tag. Das gilt auch in den Wintermonaten.
Welchen Vorteil hat die Lichttherapie bei einer Winterdepression gegenüber anderen Therapieformen?
Lichttherapie ist ein Verfahren, das in der Psychiatrie gut mit einem Serotonin-Wiederaufnahmehemmer – hierbei handelt es sich um ein Antidepressivum – kombiniert werden kann. Der Vorteil der Lichttherapie liegt in der guten Verträglichkeit. Was jedoch dagegen sprechen könnte, ist unter anderem eine Erkrankung des Auges beziehungsweise der Netzhaut wie eine Netzhautablösung oder eine Makuladegeneration. Vorsicht ist auch nach Augenoperationen geboten. Zudem können einige Psychopharmaka die Lichtempfindlichkeit erhöhen. Patient*innen sollten vor Therapiebeginn den Rat einer ärztlichen Fachperson einholen.
Es gibt auch andere Krankheitsbilder, die sich mit einer Lichttherapie behandeln lassen – welche?
Aus schlafmedizinischer Sicht werden damit auch Störungen des zirkadianen Rhythmus behandelt. Ein Beispiel dafür ist unser Schlaf-Wach-Rhythmus. Die Lichttherapie wird auch bei Menschen, die eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung oder Ein- und Durchschlafstörungen haben, angewandt. Am Morgen eingesetzt, hilft sie dabei, einen Aufwachreiz zu setzen und den Schlaf-Wach-Rhythmus zu stabilisieren. Um besser einschlafen zu können, sollte Abendlichtexposition vermieden werden, um die innere Uhr zu stabilisieren.
Im Check:
Was bewirkt die Lichttherapie?
Mithilfe von künstlichem Licht wird in den dunklen Wintermonaten der Körper dazu angeregt, mehr Serotonin auszuschütten und weniger Melatonin zu produzieren. Letzteres kann in grossen Mengen zu Depressionen führen.
Wie wird sie eingesetzt?
Die Lichttherapie sollte fachgerecht mit einer 10 000-Lux-Lampe und mit einem Abstand von mehr als einem Meter zur Lampe über eine Zeitdauer von rund 30 Minuten eingesetzt werden. Ganz wesentlich: Wer die Therapie anwendet, sollte nicht direkt ins Licht blicken, aber dennoch darauf achten, dass auch die Augenregion von der Lampe beleuchtet wird. So ist zum Beispiel das Lesen vor einer Lichttherapielampe oder die Einnahme des Frühstücks gut möglich, damit während der Anwendung nicht Däumchen gedreht werden muss. Achtung: Der Zeitpunkt ist entscheidend. Die Therapie muss zeitnah an das natürliche Erwachen und somit unbedingt am Morgen durchgeführt werden.