Versteht mich nicht falsch. Seit meiner Kindheit bin ich ein riesiger Barbie-Fan. Ich habe es geliebt, dass sie mit verschiedenen Klamotten kam, man ihre Schuhe wechseln konnte und nur schon dieses knirschende Geräusch, dass ihre Knie gemacht haben, wenn man sie um circa drei Grad nach innen geknickt hat (mehr ging damals nicht), gab mir ein gutes Gefühl. Ausserdem war sie ziemlich cool: Pilotin, Tierärztin, Astronautin – Barbie kann zwar mit ihren Körpermassen (in der echten Welt) nicht auf zwei Beinen laufen, hat dafür aber schon ungefähr jeden Beruf einmal ausgeübt. #girlboss
Braucht es Meditationspraktiken mit fünf?
Mattel hat eine neue Reihe auf den Markt gebracht: die Selfcare-Barbies. Und oh man, damit überspannt der Spielzeug-Gigant den Bogen wirklich masslos. Um euch kurz darauf vorzubereiten, was das heisst: Barbie hat ihre berufliche Karriere an den Nagel gehängt, schaut jetzt täglich «Goop Lab» und bereitet Kids darauf vor, was ihnen für ein stressiger Alltag bevorsteht – und wie man dem zu Hause mit noch mehr Stress (Workouts, Yoga, Beauty) versucht entgegenzuwirken. Die «Breathe with me»-Barbie (jap, die heisst echt so) kommt zum Beispiel mit fünf geführten Meditationen, die sie abspielt, wenn man auf den Mond-Anhänger ihrer Kette drückt. Wie viele Fünfjährige sind in eurem Leben bisher auf euch zugelaufen und haben gesagt «Heute will ich erst schwimmen gehen, dann malen und danach meditieren, das wäre so cool»? Eben. Und wie viel Achtsamkeit steckt noch in etwas, auf das man ums Verrecken keine Lust hat?
Bye-bye, Pickel – und Kindheit!
Auch schön: Mit Barbies «Fask Mask Spa Day Playset» können Mädchen im Kindergartenalter Sheet-Masks für ihre Puppe (und deren Hund) herstellen, die gegen die Pickel helfen sollen. Welche Pickel? Achja, die hat man vorher mit einem Extra-Stift aufgemalt. Barbies. Pickel. Aufgemalt. Wow. Daran ist so viel falsch. Mal abgesehen davon, dass ich es fraglich finde, wie viel Interesse kleine Mädchen and Sheet-Masks haben, sollte absolut niemand einen glauben lassen, dass Pickel etwas Unnatürliches sind, was auf der Stelle wieder verschwinden muss. Genauso wenig, wie dass eine Maske alle Hautprobleme auf der Stelle wegzaubert. Ich kann aus eigener Erfahrung mit absoluter Sicherheit behaupten, dass das eine Lüge ist. Ich bin älter als fünf und war trotzdem schwer enttäuscht.
Natürliche Selfcare ist die beste Form
Ich bin mir sicher: Der Ursprungsgedanke, den Mattel da hatte, war kein schlechter. Selfcare IST wichtig und sollte regelmässig zelebriert werden. Aber müssen Fünf- und Sechsjährige wirklich schon wissen, dass die Welt der Erwachsenen so anstrengend wird, dass man mittlerweile Entspannungsbäder, Spa-Days und Gesichtsmasken braucht, um nicht durchzudrehen? Und wenn man schon so anfängt, kommt dann bald auch noch Therapie-Barbie? Kann etwas Selfcare sein, was einem selbst überhaupt keine Freude bringt (das ist eine rhetorische Frage. Nein.)? Und ist die schönste und einfachste Form der Selfcare für Kinder nicht allein schon, dass sie mit ihren Puppen spielen? Sie haben auch ohne edle Zusätze Spass an einem Schaumbad, bewegen sich ohne Yogamatte, Gewichte und Protein Bars im Alltag genug und fallen am Abend auch ohne Meditation müde ins Bett, weil sie am Ende des Tages nicht in Gedanken noch mit Mails und Assignments beschäftigt sind. Lassen wir sie das doch noch ein paar Jahre geniessen.