Gestern sass ich zu Hause auf meinem Sofa, genoss die Pasta, auf die ich mich schon den ganzen Tag gefreut habe, scrollte gemütlich durch Instagram und «BÄM!»: Hier kommt das schlechte Gewissen. Wäre ein Salat besser gewesen? Oder noch idealer erst joggen, dann Salat und noch eine Runde ausdehnen?
Vermiest wurden mir die Teigwaren von den Kommentaren unter Bildern von Promi-Frauen. «Du bist viel zu dünn!», «Wenn du etwas abnehmen würdest, wärst du gesünder», «Du bist einfach zu fett». All diese Frauen und ihre Körper sind immer «zu» irgendetwas. Nie richtig. Mein Blick wandert vom Bildschirm auf den Teller, der auf meinem Bauch balanciert, weiter zu meinen Oberschenkeln, bis hin zu meinen Füssen. Sind eigentlich meine Zehen in Ordnung oder zu kurz?
Versunken in selbstkritischen Gedanken, scrolle ich weiter über eine Anzeige, die wörtlich sagt: «Einen schönen, starken Körper bekommst du mit Trainingsprogramm XY», die aber eigentlich sagen will: «Nimm ab, bald musst du an den See. Im Bikini. Und wenn du unser Programm machst, werden dich alle anschauen und schön finden.»
Und während meine Tortellini kalt wurden, lief mein Kopf heiss. Was zur Hölle! Wen hat denn mein Körper zu interessieren ausser mir selber. Und ich mag den. Und Pasta. Mal mehr und mal weniger gern, aber im Grunde finde ich beides toll. Bei Teigwaren ist die allgemeine Meinung: «Lieb die, find die toll!» Geht es um das Äussere, klingt das eher nach: «Hass das, find das doof!»
Und wenn ich mir dann so Kommentare durchlese, dann ist es auch kein Wunder, dass Werbetreibende bei uns Frauen genau da den Keil einschlagen. Da steht eine wunderschöne prominente Moderatorin am Strand, lacht, hat Spass und macht einen sportlichen Eindruck. Im Prinzip sieht sie aus wie eine der Frauen aus den Abnehm-Sport-Werbungen. Und was passiert in den Kommentaren?
Der Körper der Frau wird als zu dünn bemängelt, obwohl diese nicht im Geringsten um eine Meinung gebeten hat. Ich würde in diesem Hinblick gerne mal ein ernstes Wörtchen mit euch sprechen, liebe Kommentierende. Was bringt euch zu der Annahme, dass eure Meinung über andere Menschen wichtig genug ist, um sie kundzutun? Breaking News: Ob ihr jemanden zu dick oder zu dünn findet, ist so relevant wie ein Mausepups an einem Metallica-Konzert.
Die zwanzig Sekunden, die ihr damit vergeudet habt, jemanden als «zu XY» zu beurteilen, hättet ihr besser darin investiert, euch eine Meinung über Politik zu bilden oder Mäusen beim Pupsen zuzuhören. Alles ist relevanter als eure Meinung zu fremden Körpern.
Ach, und noch eine Breaking News, wenn wir grad dabei sind: Nicht nur über übergewichtige Menschen zu mosern, ist Bodyshaming, nein, egal, welchen Körper ihr belästert – ihr bleibt Bodyshamer.
«Und was ist, wenn ich mir nur Sorgen mache?», fragt ihr euch jetzt? Überraschung: Ihr seid immer noch Bodyshamer! Den fiesen Figurkommentar hinter gut gemeinter Sorge um das Über- oder Untergewicht eines Mitmenschen zu verstecken, macht ihn nicht besser. Eigentlich nur schlimmer. Einen nahestehenden Menschen umsichtig und vorsichtig auf eine starke physische oder psychische Veränderung anzusprechen, ist gut und wichtig. Einen sorgenvollen Kommentar auf Instagram einer völlig unbekannten Person aufzudrängen, ist Bodyshaming.
Ich selber bin so eher der Typ oberer Durchschnitt. Bei allem. Auch in Sachen Körper. Im Ausverkauf sind meine Kleider- und Schuhgrössen immer weg. 42 unten, 38 oben, 37 an den Füssen. Meine Nummern sind begehrt. Trotzdem wurde auch mein Körper bemängelt. Obwohl er offensichtlich so gross ist wie der von vielen anderen. Ich werde gern für schwanger gehalten, weil ich ein Wohlstandsbäuchlein habe. Eine Verkäuferin guckte mich mal entsetzt an, weil ich ein Kleidungsstück in Grösse 42 probieren wollte. O-Ton: «Die sind alle weg. Aber Sie tragen doch keine 42!? Sie sehen viel schlanker aus!»
Sie hat erwartet, dass ich mich über das «Kompliment» freue. Tat ich nicht. Ich habe sie gefragt, was denn an all ihren Kundinnen falsch war, die mir meine Grösse weggeschnappt haben. Sie brabbelte irgendwelche Entschuldigungen, ich verliess den Laden.
Vor einigen Jahren hatte ich tiefere Nummern, aber da war generell alles sehr tief. Durch eine Krise nahm ich viele Kilo ab und, halleluja, was wurde ich mit Komplimenten überschüttet: «Du siehst aber toll aus!», «Welchen Sport machst du?», «Dir scheints richtig gut zu gehen!» Mein erschlankter Körper schien sehr davon abzulenken, dass meine Haare stets fettig waren, weil ich keine Energie hatte, sie zu waschen, und meine Augenringe schwarz, weil ich nicht schlief. Als ich gesünder wurde, nahm ich auch wieder zu. Meine Formel ist also ganz einfach:
Mehr Lebensfreude + mehr Lebensenergie + mehr Sozialkontakte = mehr Kilos
Für andere gilt wieder anderes, es ist aber nicht an mir, das zu beurteilen. Was lernen wir also? Ein Körper ist, wie die Hautfarbe und das Geschlecht, die ihm gegeben sind, ganz alleine Sache des Besitzers und indiskutabel. Punkt. Und jetzt gehe ich mir ein Praliné holen.