Es ist ein Luxusproblem, das mich verrückt macht. Je schöner das Wetter, umso häufiger ertappe ich mich selbst seufzen: «Man kommt ja zu nichts.» Mit «nichts» meine ich Hausarbeiten jeglicher Art, die aufgrund Badi-bedingter Abwesenheit vernachlässigt werden. Aber in erster Linie mein Bett-Pensum, das ich eigentlich so gerne erfüllen würde. Dazu gehört ausschlafen, weiterdösen, der Kaffee im Bett zum Start eines anständigen Netflix-Binges, erneut eindösen, ein bisschen lesen, sich strecken, sich einkuscheln, kurz ins Bad gehen und sich dabei sofort wieder auf die Rückkehr freuen.
Tja, aber meistens komme ich eben «zu nichts», wenn mich warme Sonnenstrahlen wachkitzeln. Ich wache auf, werde nervös, will raus, schaue aufs Handy, muss den Tag nutzen. «Carpe Diem» und «Yolo» und so. Klar lebe ich nur einmal. Aber zerfalle ich denn sofort zu bedeutungslosem Staub, wenn der Sommer mich mal nicht aufbrutzelt, sondern nur durchs Fenster streichelt?
Was da so grell ins Zimmer gleisst, ist das Phänomen der Summer Scaries: Nervig wie ein Strobo – das Äquivalent zu den allerorts bekannten Sunday Scaries, denen die beunruhigende Angst vorm Montag innewohnt. Neben dem schleichenden Horror am Sonntag hockt nun auch der Sommer samt beklemmendem Gefühl wie ein leuchtender Nachtmahr auf unserer müden Brust. Das iPhone blinkt, der Nachbar winkt, Sommer, Sonne, Fun. Der Gnom grinst: «Und du willst wirklich nicht raus ...?»
Himmel oder Hölle: Federkern- oder Luftmatratze
«Pics or it didn’t happen» ist das Mantra einer Ära. Ära klingt heroisch, Ära klingt relevant. Wer seine reich und aufregend gestaltete Freizeit nicht öffentlich macht, der hat quasi nichts erlebt. Wer noch dazu job-bedingt viel rumkommt, hat den sozialen Jackpot geknackt. Es regnet Likes und neidgeschwängerte Nachrichten. Wer viel jettet, der chattet. Relevant ist in Zeiten von Instagram weniger der Seelenfrieden (ausser er wird zum vorzeigbaren Lifestyle), sondern vielmehr der ewige Kampf um die Präsenz.
Was ist da also draufgängerischer, als einfach mal Nein zu diesem Leben zu sagen? Nein zur spritzigen Rastlosigkeit, Nein zur Körperoptimierung durch extensives Bräunen, Nein zu Rosé-trunkenen Tagen an den Ufern dieser Welt. Stattdessen: Ja sagen zu sich selbst.
Ein Königreich auf Stelzen
Allein sein ist nicht immer schön. Aber ist es selbstentschieden, kann es ein wahres Feuerwerk an trotzigem Glück auslösen. Das Bett ist dabei die einsame Insel, mit der man träge durch den heissen Tag schippert. Geborgen in Kissen und Laken, vielleicht den Kopf auf der Brust eines anderen faden Menschleins, vom lauen Sommerwind gestreift – nirgends ist es wohl entschleunigender.
Es besteht dieser herrliche Unterschied, ob man in aufrechter Bauch-Rein-Pose im Bikini auf Holzbrettern hockt oder in Unterhose auf der flauschigen Matratze: Man hat dazu die Wahl, ob man mal komplett verwahrlosen möchte oder sich im Kimono mit divenhaftem Turban die Nägel lackiert. Das Bett ist ein wahres Luxus-Warenhaus an Möglichkeiten.
Das Leben mag toben, wir müssen nicht
Im Bett kann man alles: essen, vielleicht noch kurz arbeiten, aber auch träumen, erfinden, hüpfen, sich verausgaben ebenso wie komplett erschlaffen. Laut Statistik verschlafen wir ein Drittel unseres Lebens. Das klingt erschreckend viel. Aber reden nicht alle von Self Care? Ich rede von Quality Time. Mit mir und meinem Bett.
Erst kürzlich hörte ich Jon Bon Jovi bei seinem Konzert im Zürcher Letzigrund «I'll Sleep When I'm Dead» röhren, dabei ist der gute Jon wahrlich kein Kind der «Yolo»-Generation. Kurz darauf aber plärrte das ganze Stadion «It's My Life». Na also, geht doch. Da wird zwar auch lautstark das «Jetzt oder nie» gepriesen, aber hey, jeder, wie er mag. In diesem Sinne: Wagt doch mal was! Und zwar liegenbleiben. Obwohl alle ins Licht rennen. Aufholen ist im Zweifel auch was Schönes.