Jugendliche verbringen rund vier Stunden am Tag im Internet. Das sind knapp 61 Tage im Jahr. Zu viel? Laut Experte Franz Eidenbenz kann die alleinige Anzahl online verbrachter Stunden keinen Aufschluss darüber geben, ob ein Kind internetsüchtig ist.
«Von einer Sucht kann man sprechen, wenn der Medienkonsum negative Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen, die Leistung am Arbeitsplatz oder in der Schule hat – und man trotzdem weitermacht. Und wenn man allgemein die Kontrolle über das Ausmass verliert», sagt Franz Eidenbenz im Beobachter.
Viele Angebote im Internet seien mit raffinierten Algorithmen darauf ausgerichtet, uns bei der Stange zu halten. Sie erschweren den Usern das Loslassen und bergen so ein hohes Suchtpotential. «Games zum Beispiel sind so programmiert, dass sie sich automatisch unseren Fähigkeiten anpassen. So bringen sie uns in einen sogenannten Flow- oder eben Rauschzustand. Und auf Social Media sind jene Leute erfolgreich und erhalten am meisten Likes und Anerkennung, die sehr aktiv sind.»
Internetsucht kommt in allen sozialen Schichten vor. Jugendliche sind besonders häufig betroffen. «20 Prozent der 15- bis 19-Jährigen sind süchtig oder zumindest gefährdet», so Eidenbenz. Häufig trete die Internetsucht zusammen mit ADHS auf, mit einer depressiven Verstimmung oder mit Ängsten.
Besonders alarmierend ist, dass Jugendliche ihren exszessiven Medienkonsum oft selber nicht als Problem erkennen. Selbst, wenn er einen Abbruch der Lehre zur Folge hat. Es seien oft die Eltern, die Hilfe suchten, so Eidenbenz. «In einer solchen Situation ist es wichtig, dass die Eltern den Jugendlichen klarmachen, dass diese Situation ein Problem ist. Eins, das man nur gemeinsam lösen kann. Und zwar mit dem Ziel, dass Jugendliche ihre privaten und beruflichen Ziele künftig erreichen können. Dazu gehören auch klare Abmachungen und Grenzen.»
Digitale Medien können den Alltag auf vielseitige Weise ergänzen, bereichern und erleichtern. Jedoch nur, wenn ein gesunder Umgang damit erlernt wird. «Ein gesunder Medienkonsum ist vor allem selbstbestimmt und kontrolliert. Und zwar so, dass ich die neuen Medien so einsetzen kann, wie es für mich und mein Leben Sinn ergibt. So, dass ich weiterhin mein soziales Umfeld pflegen, meinem Beruf nachgehen und meine privaten Ziele verfolgen kann», sagt Eidenbenz. «Der Medienkonsum soll eine Ergänzung zum realen Leben darstellen und nicht umgekehrt.»
Sperrzeiten seien dazu ein gutes Tool, sagt der Experte. Diese lassen sich mit klaren Regelungen erreichen und durch Apps, welche helfen, die Online-Zeit zu erfassen und zu begrenzen, unterstützen. Digitale Auszeiten, etwa abends vor dem Schlafengehen, seien wichtig: «Sie machen uns den enormen Einfluss bewusst, den digitale Medien auf unser Leben haben.»
Mit einer digitalen Auszeit allein sei jedoch keine nachhaltige Veränderung absehbar. «Man muss im Alltag lernen, den Medienkonsum zu steuern und tagtäglich eine gute Balance zu pflegen.» Es sei wichtig, dass Eltern ihre Kinder dazu animieren, sich vom realen Leben genauso ablenken zu lassen, wie vom Handy.
Besorgte Eltern, die sich mit der Thematik überfordert fühlen, können sich an die Elternberatung von Pro Juventute wenden.