Als das Bundesgericht im Juli 2024 entscheidet, dass Walk-in-Praxen mit angestellten Ärztinnen und Ärzten für Einsätze am Abend und am Wochenende keine Notfall- und Dringlichkeitspauschalen mehr berechnen dürfen, ist der Schock riesig. Für Swiss Medi Kids, die grösste Kinder-Permanence der Schweiz, bedeutet es einen Millionenverlust, wenn die Krankenkassen diese Pauschalen nicht mehr übernehmen – ihre Existenzgrundlage ist akut gefährdet.
Katja Berlinger: Kampf für ihr Herzensprojekt
Swiss-Medi-Kids-Chefin Katja Berlinger (50) kämpft wie eine Löwin für ihr Herzensprojekt, putzt bei jeder einzelnen Krankenkasse die Klinken – und wendet sich an die Öffentlichkeit. Ein Schritt, der sie viel Überwindung kostet: «Ich hatte Angst, dass unsere Angestellten nicht nur uns, sondern der ganzen Gesundheitsbranche den Rücken kehren, wenn das so hohe Wellen schlägt.»
Die «Wellen» haben glücklicherweise eine andere Wirkung, unter anderem eine Vielzahl von politischen Vorstössen und Fragen in der Wintersession. Katja Berlinger legt mit vollkommener Transparenz ihre Zahlen offen und kommt so kurz vor Weihnachten zu einer Einigung mit fünf der grössten Krankenkassen. Die Kinder-Permanence mit 140 Angestellten und 80’000 Patientinnen und Patienten im Jahr ist gerettet. Vorerst allerdings nur sie. Eine allgemeingültige Lösung ist nicht in Sicht.
Der Samstagvormittag gilt nicht als Randzeit
Ärztinnen und Ärzte rufen zu Streiks auf, machen klar: Wenn die Notfallversorgung zu Randzeiten durch Grundversorger wegfällt, führt das zu einer kompletten Überbelastung der Spitalnotfallstationen – und wird teurer für alle Beteiligten. Schliesslich ringen sich die Ärztevereinigung FMH und der neue Krankenkassenverband PrioSuisse dazu durch, 2025 keinen Unterschied mehr zwischen selbstständigen und fest angestellten Ärztinnen und Ärzten zu machen. Ende Februar doppelt die neue Tarifkommission nun nach und legt fest: Auch in der neuen Tarifstruktur Tardoc, die 2026 in Kraft tritt, dürfen fest angestellte Ärztinnen und Ärzte die Notfall-Pauschalen abrechnen – allerdings in eingeschränkterem Umfang.
«Seltsamerweise gilt der Samstagvormittag nicht als Randzeit», meint Katja Berlinger. «Zudem wurden die Kriterien für die Notfallpauschalen verschärft, so dass wir umso mehr auf eine Besserstellung der Kinder- und Jugendmedizin im Tardoc angewiesen sind. Dies ist zwar versprochen, aber noch nicht verifiziert.» So oder so: Ihr Kampf, den sie nicht nur für ihr eigenes Unternehmen geführt hat, hat sich gelohnt. «Der mediale Druck hat sicher einiges dazu beigetragen», sagt sie. Und: «Ich würde es jederzeit wieder tun.» Aus Unsicherheit gekündigt, wie sie einst befürchtete, hat übrigens kein einziger ihrer Angestellten.