An ihren 50. Geburtstag erinnert sich Daniela Lager, 54, noch gut: «Den habe ich nicht gefeiert», sagt sie. Und nicht nur an diesem Tag, auch die Monate danach hatte die erfolgreiche News-Moderatorin daran zu beissen. «Ich steckte in einer Lebenskrise und wurde mit der knallharten Realität konfrontiert, dass mein Leben wohl schon mehr als zur Hälfte vorbei ist.»
Seit Daniela denken kann, wollte sie Journalistin werden. «Ich war im Aufsatz ein 6er-Kind und machte nichts lieber, als Geschichten zu erzählen.» Als sie in den 80er-Jahren die Chance bekommt, beim Schaffhauser Lokalradio Munot zu moderieren, wird ihr Traum wahr. «Das war die Zeit, wo man noch einen Plattenspieler im Studio hatte», erinnert sich Lager lachend. Nach Radio Z und Radio 24 holte Radiopionier Roger Schawinski sie 1994 zum Fernsehen, wo sie zum neuen Aushängeschild seines Privatsenders TeleZüri avancierte. Der Rest ist Geschichte. 18 Jahre lang prägte sie als News- und später als «10 vor 10»-Moderatorin den Fernsehabend in den Schweizer Stuben. «Ich bin Journalistin geworden, weil ich ein furchtbar neugieriges Tuch bin», gesteht sie. «Ich wollte nie etwas anderes machen.»
Doch nach all diesen Jahren fühlte sie sich im Studio manchmal etwas gefangen. Und als die Kameraleute durch Roboter ersetzt wurden, auch ein bisschen einsam. Denn obschon ihr immer wieder versprochen wurde, dass sie auch als Reporterin Beiträge realisieren könne, ergab es sich nie. «Man kann sich nicht vorstellen, wie durchstrukturiert der Moderations-Alltag ist», so Lager. Sitzungen, Maske, Studioprobe … «Man funktioniert wie ein Maschineli im Halbstundentakt.» Plötzlich wurde ihr bewusst: «Ich brauche eine Veränderung.» Entweder jetzt oder nie!
«Ich habe vor allem mehr Privatheit und werde nicht mehr auf den ersten Blick erkannt»
Daniela Lager
Zwei Jahre später, am 21. Dezember 2016, verabschiedet sich Daniela Lager mit einem einfachen «Adieu» vom Bildschirm. Seither hat sich nicht nur ihre Frisur verändert. «Ich habe vor allem mehr Privatheit und werde nicht mehr auf den ersten Blick erkannt», freut sich Lager. «Aber wenn ich anfange zu reden, drehen sich die Leute immer noch sofort um.» In all den Jahren hat sich nebst ihrem Gesicht auch ihre Stimme in die Köpfe der Zuschauer eingeprägt.
Dem Journalismus ist sie auch abseits des Rampenlichts treu geblieben. «Mir fehlt glaub die Fantasie, was ich sonst noch machen könnte», lacht die zweifache Mutter. Einfach mal zu Hause bleiben war nie eine Option. «Ehrlich, das könnte ich mir gar nicht leisten!» Mit ihrem Mann Ahmed und den Kindern Amira, 15, und Tarek, 13, wohnt sie seit je in einer Genossenschaftssiedlung mitten in Zürich. «Ich träume zwar immer davon, mal weniger zu machen, aber wenn ich dann tatsächlich die Gelegenheit habe, mich hinzusetzen, höre ich nicht auf zu zappeln.»
Dass beide Elternteile berufstätig sind, ist für die Kinder kein Problem. «Bei uns in der Klasse arbeiten eigentlich fast alle Mütter», weiss Tarek. «Doch manchmal wünschte ich mir schon, dass Mami etwas mehr Zeit hätte», gesteht Amira. Ein Luxus, den sich in der Stadt die wenigsten leisten können. Und dank ihrer – durch gute Freunde und Nachbarn – erweiterten Grossfamilie war die Betreuungsfrage nie ein Problem. «Uns war es immer sehr wichtig, dass die Kinder jederzeit eine Bezugsperson haben, auch wenn sie mal früher aus der Schule nach Hause kommen und wir nicht zu Hause sind.»
Doch inzwischen sind die Kinder ganz froh, wenn Mami und Papi nicht immer auf der Matte stehen. Amira spielt seit zwei Jahren als Stürmerin im Fussballklub. Und im Sommer beginnt sie ihre Ausbildung als kaufmännische Angestellte in einem Hotel in der Stadt. Tarek ist angefressener Scooter-Fahrer. «Wir filmen uns gegenseitig, legen Musik drunter und stellen die Videos auf Youtube», erzählt der Schüler stolz und freut sich bereits riesig auf den Sommer, wenn er in ein Scooter-Camp nach Barcelona darf.
«Unsere Kinder sind beides – Christen und Moslems –, sie müssen sich nicht für eine Religion entscheiden.»
Daniela Lager
Daniela hat ihren Mann vor zwanzig Jahren in den Tauchferien in Ägypten kennen- und lieben gelernt. Ihr zuliebe ist er damals in die Schweiz gezogen. Anfangs war das nicht immer nur einfach, einzig als der Mann an Danielas Seite wahrgenommen zu werden. «Aus diesem Grund halten wir unser Leben gerne privat.» Besonders da er sich in den letzten Jahren als Fitness- und Personal Trainer einen Namen gemacht hat.
Ihre beiden Kinder sind sichtbar gemischt. Doch in einer Stadt wie Zürich ist man damit glücklicherweise kein Exote mehr. «Das erleichtert vieles», sagt die ehemalige «10 vor 10»-Moderatorin. Und Religion ist bei ihnen zu Hause sowieso kein Thema. «Unsere Kinder sind beides – Christen und Moslems –, sie müssen sich nicht für eine Religion entscheiden.» Das haben die Eltern so abgemacht. «Unsere Familie feiert Weihnachten, genauso wie wir an islamischen Festtagen Süssigkeiten verteilen.» Wichtiger ist ihnen, den Kindern Werte zu vermitteln: «Die Zehn Gebote – und das meine ich nicht religiös!», sagt die Mutter bestimmt. «Wir erwarten, dass unsere Kinder ihre Mitmenschen mit Anstand und Respekt behandeln.»
Die News-Lady geniesst ihre neu gewonnene Freiheit. «Ich habe plötzlich Zeit, mal in Ruhe ein Buch zu lesen oder Vorhänge zu nähen.» Aber einfach mal hinsetzen und nichts tun, das kann sie bis heute nicht.
Daniela Lager arbeitet weiterhin als Journalistin. «Es ist einfach ein grossartiger Beruf.» Als Redaktorin realisiert sie nun Beiträge für «10 vor 10». «Jetzt gehe ich raus zum Geschichten-Machen», schwärmt Lager. Ihre Entscheidung, nicht mehr vor der Kamera zu stehen, hat sie nie bereut. «Ich lerne immer noch jeden Tag etwas Neues dazu und begegne Menschen, Regionen, Jobs und Situationen, die ich im Studio niemals erfahren hätte. Wo kann man das sonst?»
Zudem interviewt sie für die Radio-Kultsendung «Persönlich» an wechselnden Orten Menschen aus der ganzen Schweiz, die ihre Lebensgeschichte erzählen. Und das eine ganze Stunde lang live am Sonntagmorgen auf SRF 1. «Das ist anspruchsvoll», gesteht Lager nach der Sendung im Restaurant Güterhof in Schaffhausen. Denn als News-Frau ticke man im Drei-Minuten-Bereich. Hier hingegen musste sie lernen, nicht nur ein knallhartes Fakten-Interview zu führen, sondern auch mit Emotionen umzugehen und ihren Gästen auch mal eine ganz einfache Frage zu stellen wie zum Beispiel: Wie geht es Ihnen heute?
Stellt man Daniela Lager diese Frage, dann ist die Antwort: «Richtig gut!»