Ich wusste schon mit 14, dass ich Mami werden will. Dabei war mir stets klar, dass ich Töchter haben werde, zwei am besten. Zwei Jahre Altersunterschied, wunderbar! Ich war unbesorgt. Ich hatte ein Urvertrauen, dass das ganz sicher so sein wird.
Knapp 20 Jahre später war ich schwanger. Mein Partner und ich wussten bereits, wie unser Mädchen heissen sollte. Auch er war sich sicher, dass da eine junge Lady in mir heranwächst. Uns war schon klar, dass da eine theoretische Möglichkeit eines Buben besteht, aber eben, reine Theorie – zumindest bist zum Ersttrimester-Test.
Ich war gerade beim Einkauf, als mein Gynäkologe anrief, um mir mitzuteilen, dass alles gut ist. Ob wir das Geschlecht wissen wollen, fragte er. «Ja», sagte ich.
«Ein Bub.»
Ich schwieg. Und schluckte leer.
Wir legten auf. Zwischen Pasta und Pellati brach ich in Tränen aus.
Es hat rund zwei Wochen gedauert, bis ich mich mit dem Gedanken angefreundet habe, dass wir einen Sohn bekommen. Mir hat es geholfen, darüber zu reden. Und zwar in erster Linie mit dem Kindsvater, dann mit meiner Familie und mit meinen engsten Freundinnen. Es hat mir sehr geholfen auszusprechen, dass ich mich keinesfalls nicht auf diesen Buben freue, es war viel mehr so, dass ich traurig wegen des Mädchens war, das ich nicht bekomme.
Schon klar: Nie hätte ich meine Gefühle öffentlich irgendwo im Internet zur Debatte gestellt. Ich will auf keinen Fall, dass mein Sohn eines Tages irgendwo in den Tiefen des Internet lesen muss, dass ich traurig war, weil er kein Mädchen ist.
Ich habe mich lange gefragt, ob es komplett daneben ist, dass ich so gefühlt habe, wie ich gefühlt habe. Ich kam zum Schluss, dass dem nicht so ist, dass man sich seine Gefühle nicht aussucht und dass wir nur emotional stabil sein können, wenn wir fiesen Gefühlen Raum geben, sie annehmen und über sie reden.
Mir hat es sehr geholfen, mein Inneres in Worte zu formulieren und nach aussen zu tragen.
Es ging dann auch erstaunlich schnell, bis sich meine Gefühle veränderten und ich mich wahnsinnig auf den Buben freute, der auf dem Weg zu uns ist. Als er dann in meinen Armen lag, war ich mir sicher, dass alles perfekt ist, wie es ist. Hormon-Cocktail, könnte man jetzt sagen. Eventuell. Der Junge ist heute aber 15 Monate alt. Wir könnten nicht glücklicher über ihn sein. Nicht zuletzt, weil er mich gelehrt hat, dass ich selber Baustellen beobachten so viel spannender finde als mit Einhörnern zu spielen.
Grundsätzlich haben wir keinen Anspruch auf Kinder. Geschweige denn haben wir ein Recht, uns auf ein Geschlecht einzuschiessen, finde ich. Natürlich, ich kann gut reden, ich habe eine Tochter und einen Sohn. Das ist ein toller Zufall. Ich wäre aber genau so glücklich mit zwei Söhnen oder zwei Töchtern.
Mein Mann und ich hatten Schwierigkeiten, schwanger zu werden. Wer nämlich denkt, dass Kinder einfach so nebenbei mal entstehen, mag nur teilweise recht haben. Unsere Erfahrung ist eine andere. Nicht zuletzt, weil ich unter Endometriose leide.
Als wir nach drei Jahren Kinderwunsch endlich einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielten, war unser erster Gedanke: Sei einfach gesund, du kleiner Zellhaufen. Und vor allem überstehe die ersten 12 Wochen. Ob aus daraus ein Junge oder ein Mädchen entsteht, war uns beiden so egal, dass wir das Geschlecht bei beiden Kindern bis zur Geburt nicht mal wissen wollten.
Ich habe in meinem Freundeskreis auch Eltern, deren Geschlechter-Wunsch sich nicht erfüllt hat. Ich habe bis heute kein Verständnis, wenn sich eine werdende Mutter diesbezüglich bei mir ausheulen will. Es mag altbacken klingen: Aber sollten wir nicht alle einfach nur glücklich, demütig und dankbar sein, wenn ein gesunder Mensch heran wächst?
Mein einziger «Trost» ist, dass ausschliesslich alle Eltern, die während der Schwangerschaft enttäuscht waren, weil sie statt einem Mädchen eien Buben oder umgekehrt bekommen, spätestens relativ schnell nach der Geburt versöhnt sind und sich schnell nicht mehr vorstellen können, ein Baby mit dem ursprünglich gewünschten Geschlecht zu haben.