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Das sagt eine Kinderernährungsexpertin dazu

Das harte Regime der Znüniboxen

Der Sohn unserer Redaktorin ist seit August im Kindergarten. So weit alles wunderbar. Wenn da nur nicht das Znüniboxen-Regime wäre. Ein Kommentar aus Mamasicht und ein Expertinnen-Interview mit der Kinderernährungsexpertin Nicole Heuberger.

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Mom packs a happy note of encouragement with a colorful Bento box lunch packed with healthy fruits, veggies and snacks

In Sachen Znünibox und Kindergarten stellen sich für unsere Redaktorin einige Fragen.

Getty Images

Mein Sohn ist ein picky Eater, sage ich gerne mal. Gut möglich, dass das so gar nicht stimmt. Mein Sohn ist einfach gerade mal vier Jahre alt und findet Smarties cooler als Fenchel.

Auch lässt sich nicht abstreiten, dass er, wenn er die Wahl hat, zu den Guetzli statt zu den Apfelschnitzen greift. Daheim ist das kein Problem. Zum Zvieri tische ich stets Früchte, Maiswafflen und ein, zwei Guetzli auf.

Funktioniert super.

Nachdem er nämlich logischerweise zuerst die Guetzli verdrückt hat, ist der Appetit da. Dann greift er locker zu Früchten und Maiswaffeln. Kind satt, Vitaminhaushalt geregelt, alles gut.

School lunch box for kids. Top view

Sieht schon cool aus, aber werden picky Eater davon satt?

Getty Images

Nun ist es aber so, dass mein Kind neu im Kindergarten ist. Was wir, versteht mich nicht falsch, super finden. Zumindest so lange bis es um die Znünibox geht. Hier ist nämlich gerne mal fertig lustig.

Fakt ist: Wir haben eine lange Liste bekommen. Da sind tolle Bilder von gesunden Sachen drauf, die in die Znünibox dürfen. Fenchel, Stangensellerie, Rüebli, Gurken. Früchte. Aber Achtung: am besten nur saisonal. Und Bananen lieber nicht. Zu viel Fruchtzucker.

Dafür gehen Sandwich. Aber bitte nur mit gesundem Brot. Für den «Spass» darf man Nüsse und Mandeln einpacken.

Ich verstehe die ganze Liste. Und finde sie super. Mehr noch: Ich würde mir natürlich wünschen, dass sie mein Sohn auch super findet. Tut er aber nicht. Und seine BFF, die ebenfalls im Neo-Kindergärtnerin ist, auch nicht. Und all die Kinder meiner Freund:innen auch nicht,

Und so stehen wir nun da und sind im Clinch. Was packen wir ein, das unsere Kinder essen und das doch nicht aus dem Raster fällt?

Genau diese und weitere Fragen haben wir der Kinderernährungsexpertin Nicole Heuberger gestellt.

Liebe Frau Heuberger, wir haben von der Schule einen Zettel bekommen mit Dingen für die Znünibox drauf. Da gibts viel Früchte, rohes Gemüse und Nüsse drauf. Wie schlimm ist es, wenn man auch mal ein Babybel oder einen anderen Käse mit reinpackt?

Absolut unproblematisch. Ein Stück Käse ist eine gute Option und eine, die viele Kinder sehr gerne haben. Käse ist eine ideale Eiweissquelle und passt prima in eine Znünibox. Vor allem bei noch so kleinen Kindern wie Kindergärtlern steht vor allem das Erlebnis und der Genuss beim Essen im Vordergrund. In diesem Alter interessieren sich Kinder nicht für den gesundheitlichen Aspekt von Essen. Sie wollen einfach das haben, was entweder lässig und spannend aussieht, was ihnen gut schmeckt, oder was ihre Neugier zum Probieren weckt. Dabei ist es die Aufgabe von uns Erwachsenen, im Auge zu behalten, dass eine gute Ernährung wichtig und gesundheitsförderlich ist. Unser Task ist es, Kindern das ausgewogene Essen schmackhaft zu machen, Kinder quasi zu verführen. Kinder sind Sinnesmenschen. Das kann man sich sehr gut zu Nutze machen.

Was kann ich machen, wenn ich ein Kind habe, dass entweder gar keine Früchte oder gar kein Gemüse isst?

In erster Linie entspannen. Viele Kinder essen vielleicht kein Gemüse, dafür aber Früchte. Oder umgekehrt. Das ist kein Drama. Es gilt, in den Kindern das Interesse für Neues zu wecken. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass mein Kind wirklich weder Früchte noch Gemüse mag, darf man ruhig auf Kohlenhydrate setzen. Gegen ein gutes Sandwich aus Vollkornbrot mit Frischkäse oder einem Schnitz Käse ist nichts einzuwenden. Auch bei Proteinen oder Nüssen haben Kinder verschiedene Präferenzen. Während unterjubeln gar nicht funktioniert, lohnt es sich, verschiedene Sachen anzubieten. Kinder sind neugierig und probieren auch mal etwas, das ihnen nicht ganz geheuer ist. Dabei ist es aber wichtig, dass sie sicher sind, wenn sie etwas probieren, es dann auch wieder rauslassen  und sagen dürfen, dass sie es nicht gerne haben. Je weniger Zwang und Druck desto besser.  .

Wie können wir Kindern das Essen am besten schmackhaft machen?

Kindern darf und soll man ruhig den Genuss beim Essen vorleben. Wenn wir erreichen, dass die Kinder mit Freude und allen Sinnen essen lernen, dann fördern wir einen genussvollen Umgang mit Essen. Dabei entscheiden die Erwachsenen, was auf den Tisch kommt. Kinder entscheiden dann aber selber, was und wieviel sie davon essen wollen. Animieren zum Probieren ist gut, wichtig ist einfach, keinen Druck zu machen. Auch sollten wir Lebensmittel nicht in „gut“ und „schlecht“ oder „gesund“ und „ungesund“ einteilen. Ein Kind findet Schoggi wahrscheinlich feiner als Gemüse. Ihm zu sagen Schoggi sei schlecht, das Gemüse aber gut, widerstrebt seinem Empfinden, denn für das Kind ist es genau umgekehrt.

Gibt es geeignete Znünisachen, die fast alle Kinder gern haben und zu denen man immer greifen kann?

Das lässt sich nicht pauschalisieren, jeder Mensch hat unterschiedliche Präferenzen, auch wir Erwachsene. Beliebt sind vielleicht Apfelschnitze, Rüebli, Gurken, Käse und Cracker wie Darvida zum Beispiel.

Wie stehen Sie zu Sachen wie Pancroc und Zwieback?

Das ist okay als Abwechslung. Generell gilt: Je mehr Vollkornmehl drin ist und je unverarbeiteter das Produkt ist, desto besser. Zwieback und Pancroc gehören schon zu stark verarbeiteten Lebensmitteln, und wären jetzt nicht immer meine erste Wahl. Aber wenn es das Kind gerne hat, dann darf man ruhig Zwieback und Pancroc in die Box packen, auch wenn es im „Cracker-Bereich“ noch idealere Varianten gibt. Alternativ finde ich kleine Sandwiches mit einem Stück Käse, Peperoni oder Gurke sehr gut.

Kann ich meinem Kind Gemüse und Früchte schmackhafter machen, wenn ich sie fancy mit coolen Ausstechfiguren zubereite?

Absolut. Wenn man selber Freude und die Zeit dazu hat, dann kann man das gerne tun. Spielerische Gesichtli machen Kinder Freude und können sie animieren zum Probieren. Kinder haben eine andere Wahrnehmung. Sie sind sehr visuell. Sie sehen das Essen mit anderen Augen als wir. Und freuen sich, wenn sie was Lustiges sehen. Wichtig finde ich auch, dass Kinder Essen mit allen Sinnen erleben dürfen. Je nach Alter, finden es manche Kinder zum Beispiel total spannend, Essen zu zermantschen.

Darf man dem Kind auch mal einen Laugenbrezel ohne Butter mitgeben?

Absolut. Sogar mit Butter.  Wichtig ist, das Essen nicht in gesund und ungesund einzuteilen. Es reicht, wenn wir den Überblick behalten, wie eine ausgewogene Ernährung aussieht und diese auch in der Znünibox so gut es geht umsetzen, das kann und muss aber nicht täglich perfekt sein. Als Grundsatz gilt: frisch, farbig und abwechslungsreich. Dann ist es auch unproblematisch, wenn zwischendurch mal ein Butterbrezel oder Gipfeli in der Box ist. Denn im Grunde kann ein gesundes Kind essen was es will und wird deswegen nicht gleich krank oder übergewichtig.

Ein Fun-Fact: Die Box unseres Sohnes kommt oft fast leer nach Hause. Wir waren schon ganz stolz bis er uns erzählte, dass er kaum was davon esse. Seine Freundin isst aus seiner und er aus ihrer Box. Allgemein tauschen die Kinder untereinander. Können Sie erklären, warum das Essen der anderen quasi besser schmeckt? ;-)

Daran kann ich mich als Mutter von mittlerweile zwei Teenager noch gut erinnern, das war genauso. Essen ist ja vor allem bei Kindern nicht einfach nur Nahrungsaufnahme. So sind Kinder stark fokussiert auf das Erleben und den sozialen Aspekt beim Essen.  Wir Erwachsene schauen ja auch gerne in andere Teller. Das gemeinsame Esserlebnis verbindet und im Vordergrund für die Kinder steht die Beziehungspflege, deshalb ist das „Tüüschle“ enorm wichtig. Zudem kann die Znünibox der Anderen Neugier wecken und ist oft „viel cooler“ als die eigene.  Und plötzlich merken wir dann daheim oder beim Einkaufen, dass sich das Kind für neue Speisen interessiert, , von denen noch nie die Rede war. Das ist doch schön und führt zur Horizonterweiterung. Und sollte unbedingt unterstützt werden, finde ich. Auch wenn das bedeutet, dass wir dann halt nicht immer die Kontrolle darüber haben, was das Kind aus anderen Boxen isst, dafür aber pflegt es seine Freundschaften – und das ist gut so.

 

 

 

 

 

Von mzi vor 15 Stunden