Für einmal zieht es Michael Müller, 49, nicht auf die Ski. Heute ist einfach noch mal Schnee und Sonne auf dem Titlis geniessen angesagt, bevor die Wintersaison zu Ende geht in Engelberg, wo die Familie eine Ferienwohnung hat. Dem CEO des Versicherungskonzerns Baloise Schweiz und seiner Frau Luzia, 46, kommt das gerade recht. Schliesslich fahren ihnen die Söhne Yannick, 15, und Lionel, 12, längst um die Ohren. «Wenns ums Skifahren geht, bin ich wohl bereits ziemlich uncool», meint Müller lachend.
Dass er abseits der Skipiste nicht nur als Vater, sondern auch als Chef alles andere als uncool ist, würden wohl viele von Michael Müllers knapp 3700 Kolleginnen und Kollegen unterschreiben. Einzelbüro? «Brauche ich nicht. Ich bin eh lieber bei den Leuten.» Zmittag? «Nehm ich mit allen anderen in der Kantine.» Kaffeepause? «Oft. Da kann man direkt viele kleine Dinge klären und spart sich Anrufe. Sehr effizient.» Den Kontakt zu den Leuten vermisst er. Seit über einem Jahr arbeitet man auch bei der Baloise vorwiegend im Homeoffice. Zwar pendelt der Aargauer meist immer noch zweimal pro Woche von seinem Wohnort Brugg AG nach Basel. «Aber ohne die Leute ist es ziemlich trist im Büro.»
Seit fast 25 Jahren ist Michael Müller bei der Baloise, hat als Trainee angefangen. Dass ihn viele seiner Mitarbeitenden aus früheren Zeiten kennen und es auch mal wagen, ihn zu kritisieren, trägt zum guten und offenen Arbeitsklima bei. Und ein solches sei essenziell, gerade wenn man im Homeoffice arbeite. Ansonsten sei die Versicherungsbranche von der Pandemie viel weniger stark betroffen als andere. Die letztjährigen Schadenzahlungen von gut 200 Millionen Franken seien auch für die Baloise viel. «Aber wir erzielten trotzdem im Kerngeschäft ein anständiges Ergebnis, mussten niemanden entlassen oder in die Kurzarbeit schicken.» Deshalb schafft die Baloise dieses Jahr auch zusätzliche Lehrstellen. Als Vater von zwei Teenagern weiss Michael Müller, wie hart die Lehrstellensuche sein kann. Yannick beginnt nächsten Sommer seine Lehre als Informatiker. «Ich hatte bei der Suche grosses Glück, auch wenn einige der Gespräche nur noch online stattfanden», erzählt er.
«Es braucht schon viel, bis ich mich richtig aufrege!»
Online ist auch das Stichwort, wenn es um Michael Müllers Steckenpferd geht, die Baloise Session. Schon bevor klar war, dass das Musikfestival im Jahr 2020 abgesagt werden muss, hat die Baloise zusammen mit der Festivalleitung ein alternatives Konzertformat geschaffen. Mit der Baloise Session @home ist eine innovative Livestreaming-Plattform entstanden, die bei ihren Konzerten jeden Monat über 300 000 Klicks auf den entsprechenden Seiten zählt. «Ich denke, die Künstlerinnen und Künstler schätzen die Gelegenheit, wieder einmal live zu spielen. Und für uns ist es Ehrensache, einheimische Musikerinnen und Musiker zu unterstützen», sagt Müller. Als nächsten Act gibt es am 26. April den Mundart-Reggae-Musiker Dodo. Schweizer Sound mag Michael Müller fast so gern wie handgemachten Rock. Und wie siehts aus mit dem, was jeweils aus den Zimmern seiner Söhne tönt? «Ich kann dem meisten davon etwas abgewinnen. The Weeknd find ich sogar richtig gut!»
Michael Müllers Liebe zur Baloise Session kommt nicht von ungefähr. Er spielt selbst Posaune und Klarinette im Musikverein. Seine Frau hat er in der Jugendmusik kennengelernt, wo sie Querflöte spielte und er aushalf. Auch die Buben sind musikalisch. Yannick spielt Posaune wie der Papa, Lionel Trompete und Trommel. «Es ist toll, dass sie unser Hobby mittragen», sagt Luzia Müller, die Lehrerin für Textiles und Technisches Gestalten ist. «Aber es wäre für uns auch in Ordnung gewesen, wenn sie kein Instrument hätten spielen wollen.»
Er sei ein ausgeglichener Mensch, sagt Michael Müller. «Es braucht schon viel, bis ich mich richtig aufrege. Und wenn, dann über mich selbst.» Sein Jüngster, Lionel, sei genauso. Die Jungs haben es genossen, dass ihr Vater im vergangenen Jahr vermehrt zu Hause war, mit ihnen gelernt und gekocht
hat. Das tut er am Wochenende häufig. Michael Müller gehört nicht zu den Managern, die ihre freien Tage am liebsten im Büro oder mit Handy am Ohr verbringen. Dafür ist ihm die Familie zu wichtig. Auch wenn er – zumindest für seine Jungs – auf der Piste halt ab und zu uncool ist.