Ein halbes Jahr nach der Trennung von meinem Ehemann und Vater meiner Kinder habe ich mich letzten Sommer frisch verliebt. Mein neuer Partner hat eine Tochter, die meine Kindern kürzlich kennenlernten. Nun würden wir gerne zusammenziehen, denn das Pendeln und die Doppelbelastung durch zwei Haushalte machen uns zu schaffen. Was muss ich dabei beachten? Conny
Liebe Conny
Gut möglich, dass die neue Liebe deiner Seele schmeichelt. Vielleicht hast du diese Gefühle seit Jahren nicht mehr erlebt oder sogar noch nie so intensiv gespürt. Doch selbst wenn deine Ehe vielleicht seit Monaten im Argen lag, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Trennung spurlos an dir vorbei ging. Eine Trennung hinterlässt immer Spuren und muss verarbeitet werden. Gerade, wenn Kinder involviert sind.
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Aus meiner Perspektive bist du mit ziemlichem Tempo unterwegs. Die Kinder müssen sich mit der neuen Situation vielleicht zuerst zurechtfinden und haben viel zu verarbeiten.
Die gemeinsame elterliche Verantwortung geht über die Trennung auf Paarebene hinaus. Sobald man Kinder hat, kann man nicht mehr tun und lassen, was man will. Dazu gehört auch, dass die Entscheidung, mit einem neuen Partner zu leben, gut durchdacht werden sollte. Man schuldet den Kindern, dass man sich selber und die Situation gründlich hinterfragt: Was, wenn deine Kinder eine starke Bindung zu deinem Partner und seiner Tochter eingehen und dann eventuell eine erneute Trennung verkraften müssen? Auch wenn es im Leben nie eine Garantie gibt, solltest du dir doch wenigstens Zeit geben, deinen neuen Partner besser kennenzulernen. Dein Zusammenzug nach wenigen Monaten birgt hohes Überforderungspotential.
Zur Vorsicht mahnt auch Trennungsexpertin Martina Rissi: «Sobald Kinder im Spiel sind, empfehle ich Paaren, sich mit dem Zusammenziehen möglichst viel Zeit zu lassen und die Beziehung davor maximal zu prüfen.» Was bedeuten könnte, dass die neu zusammengefundene Familie möglichst viel Zeit in den unterschiedlichsten (Belastungs-)Situationen verbringt, wie beispielsweise in stressigen Alltagssituationen, verlängerten Wochenenden auf engstem Raum oder Ferien mit unerwarteten Erlebnisfaktoren.
Auch wenn die gemeinsamen «Probe-Stunden» nicht den Alltag darstellen, geben sie dem Paar doch einen gewissen Eindruck, wie das neue Familiengefüge funktionieren könnte. Rissi: «Man spürt besser, ob man auch im Alltag kompatibel ist.» Wichtig sind ihrer Meinung nach auch umfassenden Diskussionen über die Erziehung: «Patchwork-Beziehungen sind generell eine grosse Herausforderung», so die Familientherapeutin. «Kommen dann noch unterschiedliche Lebensformen und Philosophien dazu, umso mehr.»
«Es ist wichtig, den Kindern zu vermitteln, dass der neue Partner kein Vaterersatz ist.»
Martina Rissi, Familientherapeutin
Ein wichtiger Punkt ist selbstverständlich auch die Meinung der Kinder. Laut Rissi ist es wünschenswert, dass diese sich ebenfalls einen Zusammenzug wünschen. «Wenn sich hingegen ein oder mehrere Kinder stark dagegen wehren, ist es wichtig, hinzuhören und -schauen. Kann keine Klärung stattfinden, empfehle ich eine externe Unterstützung.»
Es kann sein, dass das Kind mal aus Solidarität zum Vater den neuen Partner nicht mag, oder er ihn aus bedeutsamen Gründen nicht leiden kann. Rissi: «Es ist wichtig, den Kindern zu vermitteln, dass der neue Partner kein Vaterersatz ist, sondern einzig der Partner der Mutter. Sie sollten ihn auch nicht Vater nennen.»
Es empfiehlt sich, Regeln zu definieren, sobald man tagtäglich Zeit in der neuen Konstellation verbringt. «Allen Beteiligten sollte klar sein, welche Erziehungsaufgaben wem zustehen.» Auch wenn der neue Partner in der Regel keine Erziehungsaufgaben hat, besteht neuerdings eine Wohngemeinschaft, wo gemeinsam definierte Regeln bestehen und auch einzuhalten sind. Rissi: «Eine Patchworkfamilie funktioniert nicht selten wie eine kleine Firma.»
Liebe Conny, ich bin überzeugt, dass es nur Vorteile hat, wenn du noch etwas zuwartest mit dem Zusammenziehen. Laut dem US-Psychologen Seth Meyer sollten sich frischverliebte Paare sogar bewusst nur einmal pro Woche treffen, da die raren Wiedersehen die Spannung aufrechterhalten, angeblich nachhaltig!
Herzlich,
Romina
Unsere Expertin für Familienfragen
Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.