So winzig klein und so unglaublich effektiv: Nanofett setzt neue Massstäbe in der Narbentherapie nach Unfällen, Operationen, nach Bestrahlungen, nach Akne oder Verbrennungen. Die medizinische Wunderwaffe wird auch gegen Pigmentflecken, Dehnungsstreifen, Augenringe und Fältchen eingesetzt. Die Bezeichnung Nanofett ist widersprüchlich, denn Fett hat es in der gewonnenen Flüssigkeit nicht mehr drin. Gemacht wird Nanofett aus Mikrofett, das heisst, abgesaugtes Fett wird flüssig gemacht und dann filtriert. Dass durch dieses Verfahren kein Fett mehr in der Flüssigkeit war, entdeckten die plastischen Chirurgen Dr. Patrick Tonnard und Dr. Alexis Verpaele aus dem belgischen Gent vor zwei Jahren. Die Pioniere pressten Mikrofett durch ein steriles Tuch und erhielten so Nanofett. In der Flüssigkeit fanden sie nur noch Fettstammzellen und wachstumsfördernde Moleküle, die regenerative Eigenschaften haben. Bei den ersten Versuchen stellten sie fest, dass die Bereiche, in die sie Nanofett injiziert hatten, sich wunderbar regenerierten, die Falten waren verschwunden, die Hautstruktur verbessert. Ein weiterer Versuchsbereich waren Augenringe. Dabei spritzten sie tiefer in die Haut und waren erstaunt, dass sich die Pigmente darüber ebenfalls verbesserten. Nach dieser Zufallsentdeckung versuchten sie die Methode an einem Altersfleck, mit durchschlagendem Erfolg. Die Pigmentstörung wurde deutlich unauffälliger. Dass sich auch Narben mit Nanofett behandeln lassen, fanden die beiden Belgier zusammen mit Prof. Nicole Lindenblatt heraus, die heute als Leitende Ärztin an der Klinik für plastische Chirurgie und Handchirurgie am Universitätsspital Zürich tätig ist. Die Klinik ist einer der ersten Anbieter für Nanofett-Behandlungen in der Schweiz.
«Wir setzen die Nanofett-Behandlung hauptsächlich bei Patienten ein, die mit Narben leben müssen», erklärt Prof. Nicole Lindenblatt. Bis heute behandelte sie 60 Patienten mit sehr gutem Erfolg. «Besonders gut funktioniert die Methode bei Narben, die ein wenig erhoben und gerötet sind. Über zehn Jahre alte, weisse und verbreiterte Narben eignen sich eher weniger für diese Behandlung», sagt die Chirurgin. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass Nanofett auch bei der Heilung von komplexen chronischen Wunden und im Bereich der Regeneration von Nerven Wirkung zeigt. «Im Tierexperiment einer japanischen Forschergruppe wurden auch Rückenmarksverletzungen, die zu Lähmungen führten, mit Fettstammzellen behandelt.» Bei der Durchtrennung des Rückenmarks bilden sich Narben. Nach der Stammzellinjektion konnte man feststellen, dass sich die Narben regenerierten und sich dadurch die Nerven wieder besser verbinden konnten. Mäuse mit den Stammzellinjektionen konnten wieder laufen, die ohne zogen ihre Hinterläufe nach wie vor hinter sich her. Altersflecken sind ein weiterer Bereich für die Anwendung von Nanofett. Die Pigmente werden im Alter nicht mehr richtig abgebaut. Wahrscheinlich wird die Regeneration von Zellen durch Nanofett angekurbelt, die Flecken verschwinden.
Am Anfang einer Behandlung steht eine normale Liposuction, also Fettabsaugung. Welches Fett sich am besten eignet, spielt keine so grosse Rolle. «Meistens entnimmt man es dort, wo es am meisten hat. Das können Flanken, Oberschenkel oder Bauch sein, die klassischen Regionen halt», sagt Prof. Nicole Lindenblatt. Während rund einer Stunde wird Fett unter Lokalanästhesie oder auf Wunsch mit Vollnarkose entnommen, aufbereitet und an anderer Stelle eingespritzt. Zur Behandlung einer Narbe benötigt man in Abhängigkeit von der Grösse circa 20 bis 30 Milliliter abgesaugtes Fett. Nach Absaugung von nur kleinen Mengen ist ein Kompressionsmieder, wie bei einer Liposuction üblich, nicht nötig. Meist genügt bereits eine einmalige Injektion, die Wirkung zeigt sich nach zwei bis drei Monaten. Man kann die Behandlung mit Nanofett aber auch mehrfach wiederholen.
Nanofett eignet sich nicht zur Volumenverbesserung. «Man kann das Verfahren aber mit Mikrofett kombinieren. Mikrofett bringt Volumen, Nanofett verbessert zusätzlich die Hautstruktur», erklärt die plastische Chirurgin. Im Gegensatz zu Hyaluronsäure ist das Resultat länger anhaltend, denn circa 80 Prozent des injizierten Mikrofettes wächst im Gesicht an und bleibt an Ort und Stelle. Als Nebenwirkung einer Nanofett-Behandlung kann eine Rötung im Bereich der behandelten Region für eine gewisse Zeit auftreten. «Das beobachten wir vor allem bei Pigmentflecken. Die Rötung zeigt aber auch, dass in der Haut etwas passiert», sagt Prof. Lindenblatt.
Welche Mechanismen Nanofett im Körper auslöst, ist laut Lindenblatt noch weitgehend unklar. Deshalb wird noch dieses Jahr in einer Studie dem regenerativen Effekt von Fettstammzellen auf das Hautgewebe und die Nervenregeneration wissenschaftlich nachgegangen. Denn wie bei jeder neuen Methode können unbekannte Langzeitwirkungen nicht vollständig ausgeschlossen werden. Derzeit weise aber nichts auf ein erhöhtes Krebsrisiko oder andere Beschwerden aufgrund von Nanofett-Therapien hin.