Er war unwiderstehlich wie ein Tornado. Brandgefährlich und unberechenbar. Wenn er pfeilschnell durch die Luft wirbelte, waren viele Millionen Kinobesucher aus dem Häuschen. So wurde Bruce Lee zum «King of Kung Fu». Zu der Ikone des Martial-Arts-Films - obwohl er schon 50 Jahre tot ist.
Er ist erst 32, als er überraschend stirbt. Sein tragisches Ende am 20. Juli 1973 treibt seine Popularität in sphärische Höhen. In 32 Filmen hat er mitgewirkt, als Schauspieler, Regisseur, vor allem als omnipotenter Kämpfer. Seine Kinohits hiessen «Bruce Lee - Die Todesfaust des Cheng Li» (1971), «Bruce Lee - Todesgrüsse aus Shanghai» (1972), «Die Todeskralle schlägt wieder zu» (1972) oder «Der Mann mit der Todeskralle» (1973). Die von ihm choreografierten Kämpfe gingen in die Filmgeschichte ein, dennoch sah sich der perfekte Kampfkünstler in erster Linie als Schauspieler.
Geboren als Lee Jun-fan in San Francisco
Das war er wohl auch, zumindest von der Abstammung her. Sein chinesischer Vater Lee Hoi-chuen aus Hongkong war einer der führenden Schauspieler der kantonesischen Oper, seine Mutter, die Deutsch-Chinesin Grace Ho, entstammte einem der mächtigsten Clans von Hongkong. Das Ehepaar befand sich auf einer USA-Tournee, wo Lee Hoi-chuen in chinesischen Gemeinden auftrat, als die hochschwangere Grace Ho am 27. November 1940 in Chinatown, San Francisco ihr viertes Kind entband.
Der Junge, der neben der chinesischen nun auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft hatte, bekam den Namen Lee Jun-fan, den englischen Vornamen Bruce gab ihm vermutlich eine Ärztin, Lee benutzte ihn erst viel später als junger Erwachsener in seiner Zeit in den USA. Als Kind wurde er von den Eltern oft «Saifon» («kleiner Phönix») und «Mo Si Ting» («einer, der ständig aktiv ist») gerufen, womit auch sein Wesen beschrieben wurde.
Drei Monate nach der Geburt des Sohns reiste die Familie nach Hongkong zurück, obwohl der Zweite Weltkrieg auch die britische Kronkolonie erfasst hatte und Hongkong von 1941 bis 1945 von den Japanern besetzt wurde. Lees Mutter erzählte später die hübsche Geschichte, dass ihr vierjähriger Sohn oft auf dem Balkon ihres Hauses seine kleine Kinderfaust gegen den Himmel reckte, an dem ständig japanische Kampfflugzeuge kreisten.
Seine ersten Schritte in die Kampfkunst
Sein Debüt als Schauspieler hatte er im Säuglingsalter. Es folgten weitere Filme mit sechs und acht, die ihm den Namen «Lee Xiaolong» (Kleiner Drache Lee) einbrachten. Mit 17 spielte er seine erste Hauptrolle in «The Orphan», und mit 18 Jahren hatte er schon in 20 Filmen mitgewirkt.
Im Kindesalter fand er auch zur asiatischen Kampfkunst, was einerseits an den Reibereien mit englischen Schülern lag, die am renommierten katholischen La Salle College ihre chinesischen Mitschüler drangsalierten, andererseits machten immer mehr gefährliche Strassengangs auch die besseren Stadtviertel Hongkongs unsicher. Sein erster Lehrer war sein Vater, der ihn im Wu-Stil des Schattenboxens unterrichtete, was dem jungen Lee aber viel zu langsam war.
Als er 13 wurde, besorgte ihm seine Mutter mit dem berühmten Yip Man als Trainer einen legendären Grossmeister des Wing Chun Kung Fu. Fünf Jahre ging Lee in seine Schule. Anfangs weigerten sich andere chinesische Schüler, gemeinsam mit Lee zu trainieren, weil dessen Mutter keine rein chinesische Abstammung hatte und die Kenntnisse des Wing Chun Kung Fu nur an reinblütige Chinesen weitergeben werden sollten. Doch das änderte nichts am Verhältnis von Yip Man zu seinem Schüler Lee, der ihn bis an sein Lebensende wie einen Gott verehrte.
Daneben liebte der junge Lee das Tanzen. Er hatte ein untrügliches Gefühl für Rhythmus und war mit 18 Cha-Cha-Cha-Meister in Hongkong. Viele der schnellen Tanzbewegungen hat er später in seinem akrobatischen Kampfstil übernommen.
In Seattle eröffnete er sein erstes «Jun Fan Gung Fu Institute»
Im April 1959 schickten ihn seine Eltern in die USA, eine Disziplinierungsmassnahme, weil Lee schlechte Schulnoten heimbrachte, aufsässig war und ausser Kung-Fu nur hübsche Mädchen im Kopf hatte. Ausserdem drohte ihm eine Gefängnisstrafe, weil er wiederholt bei körperlichen Auseinandersetzungen seine Gegner schwer verletzt hatte. Der Vater gab ihm nur 100 Dollar mit auf die 17-tägige Schiffsreise, die Lee mit Tanzunterricht für Erste-Klasse-Passagiere aufbesserte.
Auch in San Francisco arbeitete er zunächst als Tanzlehrer, dann ging er nach Seattle, holte seine Hochschulreife nach und studierte Philosophie und Schauspielkunst. Nebenbei unterrichtete er andere Studenten in Kung-Fu. 1963 gründete er sein erstes «Jun Fan Gung Fu Institute», ein Jahr später heiratete er die Amerikanerin Linda Emery, die er bei seinem Kampfunterricht kennengelernt hatte und zog nach Oakland (Kalifornien), wo 1965 sein Sohn Brandon zur Welt kam, «der einzige blonde und blauäugige Chinese der Welt», wie Lee stolz mitteilte.
Auch in Oakland gründete er ein «Jun Fan Gung Fu Institute», ein drittes in Chinatown von Los Angeles. Inzwischen war er eine kalifornische Grösse geworden. Sein «Jeet Kune Do»-Stil («Der Weg der eingreifenden/abfangenden Faust») hatte auch in der Filmwelt Aufsehen erregt. Stars wie Steve McQueen (1930-1980) oder James Coburn (1928-2002) lernten bei ihm zu kämpfen, Chuck Norris (83) nahm Privatunterricht. Und Hollywoods Starfriseur Jay Sebring (1933-1969) machte den TV-Produzenten William Dozier (1908-1991) auf Lee aufmerksam.
Mit seinen Filmen wird er zum Weltstar
Es folgten Serienauftritte, z.B. als maskierter Kato in «The Green Hornet» oder in «Batman» und ein erster Auftritt in einem abendfüllenden Hollywoodfilm: In «Marlowe» mit James Garner (1928-2014) durfte er innerhalb von Sekunden ein ganzes Büro mit seinen Füssen zerlegen. Seine Rolle als Kato rief vor allem bei den Chinesen von Hongkong eine ungeheure Begeisterungswelle hervor. Der Produzent Raymond Chow (1927-2018) und sein Golden Harvest-Studio in Hongkong machten Lee mit seinen letzten vier Filmen zum Weltstar.
Der Tod kam wie aus heiterem Himmel. Offenbar hatten ihn die Dreharbeiten zu «Der Mann mit der Todeskralle» so stark mitgenommen, dass er am 10. Mai 1973 zusammenbrach. Er wurde in Hongkong und anschliessend in Los Angeles untersucht, die Ärzte gaben grünes Licht, Lee reiste zurück nach Hongkong. Dort wurde er am Abend des 20. Juli 1973 leblos ins Queen Elizabeth Hospital eingeliefert. Er hatte sich zuvor bei seiner Filmpartnerin Betty Ting Pei (76) hingelegt und von ihr eine Schmerztablette bekommen, weil er über starke Kopfschmerzen klagte.
Wilde Spekulationen um seinen Tod
Sein plötzlicher Tod löste wilde Spekulationen ohne den geringsten Wahrheitsgehalt aus: Seine Filmpartnerin habe ihn vergiftet, hiess es, oder: Die chinesische und amerikanische Mafia sei in seine Ermordung verstrickt. Tatsächlich ist Bruce Lee an einer tödlichen Hirnschwellung gestorben, die als allergische Reaktion auf ein Schmerzmittel ausgelöst wurde, das ergab die Obduktion. Nach einer Untersuchung von 2005 könnte die Todesursache aber auch ein epileptischer Anfall gewesen sein, bei dem Herz- und Lungentätigkeit versagten.
Dann kam - 20 Jahre später - die Theorie von einem Fluch auf, der auf der Familie Lee laste. Sie wurde ausgelöst durch ein weiteres tragisches Ereignis: Am 31. März 1993 starb der Sohn Brandon Lee im Alter von 28 Jahren, der auch Schauspieler wurde, bei Dreharbeiten zum Fantasy-Film «The Crow - Die Krähe». Auf ihn wurde aus einer Requisiten-Pistole, die nicht geladen sein sollte, ein Schuss abgegeben. Tatsächlich befand sich aber eine Kugel in der Waffe, die Brandon Lee in den Unterleib traf. Er starb zwölf Stunden später und wurde neben seinem Vater in Seattle beigesetzt.