Hans-Joachim Kulenkampff (1921-1998) war der Grösste, wahrscheinlich sogar der Allergrösste. «Eine Lichtgestalt der deutschen Unterhaltungskultur», wie ihn der gewiss nicht zu Übertreibungen neigende «Deutschlandfunk» zu seinem 100. Geburtstag adelte. Der beste deutsche Showmaster aller Zeiten.
«Der Kuli der Nation»
Lange bevor ein Thomas Gottschalk (73) zum liebsten Entertainer der Deutschen avancierte, hatte Hans-Joachim Kulenkampff seine eigene Kategorie geschaffen: Er war «der Kuli der Nation». Und den gab es nur einmal. Am 14. August hat er seinen 25. Todestag.
Mit seiner ARD-Quiz-Sendung «Einer wird gewinnen» (EWG) mit acht Kandidaten aus verschiedenen europäischen Ländern wurde Kulenkampff in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren zum unbestrittenen König der Samstagabend-Unterhaltung, mit traumhaften Einschaltquoten. Wenn seine Sendung einmal «nur» 82 Prozent hatte, pflegte er zu sagen: «Wenn uns die Leute nicht mehr sehen wollen, dann hören wir eben auf.»
89 Folgen von «EWG» hat Kulenkampff von 1964 an bis zum endgültigen Ende 1987 moderiert, ausserdem stand er bis 1990 fast 2.000 Mal mit seinen «Nachtgedanken» zum ARD-Sendeschluss vor der Kamera.
Es herrschten noch andere Zeiten
«Charmanter Mythos», so sehen ihn Günther Jauch (67) oder Harald Schmidt (65), für den «Spiegel» war er gar «der Mozart des Plaudertons», der sein Publikum nicht mit dem Klamauk von Running Gags aus einer Texterfabrik unterhielt, sondern mit unaufgeregter Selbstsicherheit, Schlagfertigkeit, Optimismus und einer sanften Ironie.
Freilich waren es auch andere Zeiten, es gab weder Internet noch Political Correctness. Wenn er zum Beispiel einen Kandidaten mit den launischen Worten begrüsste: «Und Sie kommen aus Neustadt an der Weinstrasse? Ich habe Sie für einen Inder gehalten», dann erntete er (noch) keinen Shitstorm.
Eigentlich ein todtrauriger Mensch
Nur wenige Menschen wussten, dass der mit der Gabe einer natürlichen Heiterkeit gesegnete Kulenkampff eigentlich ein todtrauriger Mensch war, der als junger Mann das Grauen des Zweiten Weltkriegs als Soldat in Russland miterlebte und sich vier erfrorene Zehen selbst amputiert hatte. Wie viele Männer seiner Generation konnte er über die traumatischen Erfahrungen kaum sprechen; bei Kriegsfilmen im Fernsehen brach er in Tränen aus.
Ein zweites grosses Trauma war der Tod seines kleinen Sohns Till bei einem Autounfall am 12. Juli 1957. Seine Frau Traudl Kulenkampff fuhr mit ihren damals acht und vier Jahre alten Kindern Merle und Till aus dem Urlaub in Österreich zurück nach Frankfurt, wo ihr Mann Drehtermine hatte. Hinter Ulm wurde das Auto von einem Lkw von der Strasse gedrängt. Traudl und Merle überlebten, doch Till wurde aus dem Wagen geschleudert und war sofort tot.
Kuli hat diesen Schicksalsschlag nie verwunden, er konnte darüber auch nicht sprechen. Der Sohn Kai Joachim Kulenkampff (64), der zwei Jahre nach Tills Tod geboren wurde, sagte später dem «Wiener Kurier»: «Der Unfall war eine Zäsur, über die nie geredet wurde. Ich war ein Betroffener in der zweiten Reihe, der, der den anderen ersetzt hat. Das hat Eifersucht bei der Schwester ausgelöst und so was wie Erlösung bei den Eltern.»
Er wollte nur ein guter Schauspieler sein
Hans-Joachim Kulenkampff entstammt einer vermögenden Bremer Familie von Kaufleuten und Künstlern. Ein Grossvater war Pianist und Musikprofessor, ein anderer Verwandter, Georg Kulenkampff, machte Karriere als einer der bekanntesten deutschen Geigenvirtuosen.
Während sein älterer Bruder Helmut (1920-1977) Arzt und später Professor für Anatomie am Uni-Klinikum des Saarlandes wurde, studierte Hans Joachim Kulenkampff nach dem Abitur (1939) an der Schauspielschule des Deutschen Theaters Berlin. 1941 wurde er zum Militär eingezogen.
Nach dem Krieg sollte Kulenkampff 1947 Direktor des Bremer Theaters werden. Er schlug das Angebot aus, weil er sich mit 26 zu jung für diesen Posten fühlte - und ging nach Frankfurt an das Theater am Zoo (heute Fritz Rémond Theater).
In Frankfurt lernte er auch seine Ehefrau, die österreichische Schauspielerin und spätere Kinderbuchautorin Traudl Schwarz, kennen, von der er so begeistert war, dass er sie nach 14 Tagen Bekanntschaft am 11. Mai 1948 heiratete. Die Ehe hielt ein Leben lang.
Im Grunde wollte er nur ein guter Schauspieler sein, einer der auf der Bühne grosse Hauptrollen spielt, wie den General Harras in «Des Teufels General» von Carl Zuckmayer (1896-1977), einer der grossen Theatererfolge Kulenkampffs. Doch der Bremer Kaufmannssohn musste seine Familie durchbringen - und verdingte sich nebenbei beim Hessischen Rundfunk, zunächst als Ansager im Hörfunk, später - weil er so charmant plaudern konnte - mit seiner ersten Fernsehshow «Wer gegen wen?», die ihn auf Anhieb zum Publikumsliebling machte.
Heute würde Kulenkampff nicht mehr funktionieren
Seine einzigartige Karriere würde heute so nicht mehr funktionieren. Kulenkampff wäre für heutige Verhältnisse viel zu eigenständig und unangepasst, ständig hätte er die Gesetze der Political Correctness übertreten, nach denen ein Moderator weitestgehend als politisches und kulturelles Neutrum zu agieren hat.
Den ersten grossen Skandal löste er 1959 aus, als er bei der Anmoderation von «Quiz ohne Titel» sagte: «Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren ... in der Bundesrepublik, in der DDR ...» Die grossen Parteien standen Kopf, Kulenkampffs Begrüssung käme einer «Anerkennung des Unrechtsstaates» gleich. So waren damals die Verhältnisse.
Seine Spontanität, die grosse Stärke des begnadeten Entertainers Kulenkampff, war gleichzeitig auch seine Schwäche. «Der Charmeur», schrieb der Spiegel, «betrachtete ungeniert Uschis Beine» (Show-Assistentin Uschi Siebert - die Red.) ... «Und dann kamen seine leicht anzüglichen Komplimente für das Outfit der Assistentin. Uschi, angezogen wie ein weibliches Pralinee, lächelte.»
Diese kleinen Anzüglichkeiten gehörten zum Repertoire der Show, die «taz» fand das allerdings nicht so prickelnd und unterstellte Kulenkampff eine «schmierige Schlüpfrigkeit gepaart mit der Jovialität eines Autoverkäufers». Man solle «dieses inzwischen fett gewordene Fernsehfossil», das «Altherren-Geilheit» hechele, endlich abhalftern.
1998, sechs Jahre später, klang das deutlich versöhnlicher. Kulenkampff war mit 77 Jahren in seiner österreichischen Wahlheimat an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. Da schrieb die «taz» in ihrem Nachruf, dass Kulenkampff sich auf ein Entertainment verstanden habe, «das für deutsche Verhältnisse sehr britisch daherkam: sarkastisch, manchmal beissend, hin und wieder politisch - im durchaus linken, damals vornehmlich sozialdemokratischen Sinne ... Er kam immer so seriös, so soigniert distanziert wie höflich daher, dass niemand ihm am Zeug flicken konnte.»
Über sein Erfolgsmedium sagte «Kuli»: «Als wir angefangen haben mit dem Fernsehen, wollten wir ein Viersterne-Restaurant aufmachen. Nun haben wir eine Kette von Imbissbuden.» Doch wie wohltuend sich die TV-Grösse Kulenkampff bei seinen «Nachtgedanken» zum Sendeschluss, den es damals noch gab, von seinem Publikum verabschiedete und ihm nachdenklich «Gute Nacht» wünschte, das löst auch heute noch, so der «Deutschlandfunk», «fast wehmütige Erinnerungen aus.»