In Sofia Coppolas (52) zeitlosem Filmklassiker «Lost in Translation» will Comedy–Legende Bill Murray (72) als abgehalfterter Schauspieler Bob Harris in Japan das schnelle Geld machen. Leicht verdiente zwei Millionen US–Dollar soll er für seine Werbeauftritte als Gesicht der Whisky–Marke Suntory erhalten.
Der Legende nach lieh sich Darsteller Murray seinen selbstverachtenden Gesichtsausdruck für die Werbe–Aufnahmen innerhalb der Welt des Films von Kino–Ikone Harrison Ford (81). Dessen Konterfei war nämlich überall in Tokio auf Plakaten für die Biermarke Asahi zu sehen, als Murray im September 2002 für die Dreharbeiten zur romantischen Tragikomödie in der japanischen Hauptstadt eintraf.
«Lost in Translation»: Zwei verlorene Seelen, vereint im Jetlag
Die eher minimalistische Geschichte von Coppolas zweiter Spielfilm–Regiearbeit nach «The Virgin Suicides» (1999) ist im Grunde rasch erzählt: Zwei US–Amerikaner – der eben erwähnte Filmstar Bob Harris und die 22–jährige Philosophie–Absolventin Charlotte (Scarlett Johansson, 38) – steigen im noblen Park Hyatt Hotel in Tokio ab, und leiden unter Schlaflosigkeit.
So kreuzen sich die Wege des unglücklichen, melancholischen älteren Mannes, der sich wohl in einer Art Midlife–Crisis befindet, und der so hochintelligenten wie wunderschönen jungen Frau, die sich von ihrem erfolgreichen, permanent arbeitenden Fotografen–Ehemann vernachlässigt fühlt, und ausserdem nach ihrem ganz eigenen beruflichen Weg im Leben sucht.
Charlotte und Bob verstehen sich von Anfang an prächtig. In der Folge schlagen sie an dem für sie fremden Ort gemeinsam die Zeit tot. Sie lassen sich durch das nächtliche Tokio treiben, treffen sich gelegentlich mit dem Einheimischen Charlie Brown (der leider viel zu früh verstorbene Fumihiro Hayashi, 1964–2011) oder führen Gespräche über das Leben, Charlottes Zukunft oder anderweitige existentielle Themen.
Dabei verlieben sie sich ein klein wenig ineinander, doch körperlich wird ihre romantische Affäre nie, wenn man einmal von einem kleinen Abschiedskuss absieht. So endet nach rund einer Woche Charlotte und Bobs Ausnahmesituation in der japanischen Bubble. Aller Wahrscheinlichkeit nach kehren beide Protagonisten in ihren jeweiligen Alltag in den USA zurück.
Sofia Coppola setzte «ihrem» Japan ein Denkmal
Der gar nicht so heimliche Star – neben den famosen Hauptdarstellern Johansson und Murray – ist in «Lost in Translation» das Land Japan selbst und dessen Hauptstadt, die futuristisch anmutende Mega–City Tokio. Regisseurin Coppola, die einzige Tochter des grossen New Hollywood–Auteurs Francis Ford Coppola (84), verbrachte nach eigener Aussage viel Zeit in dem ostasiatischen Land, bevor in ihr die Idee zu «Lost in Translation» reifte.
An Tokio faszinierte sie die Mischung aus einer «modernen Blade Runner–Stadt» und der bezaubernden japanischen Tradition. Diese zwei gegensätzlichen Seiten des Landes lässt sie ihre Charaktere dann auch ausgiebig erforschen. Es geht in Karaoke–Bars, Stripclubs, uralte Tempel und moderne Videospiel–Arkaden.
Die Rolle von Bob schrieb Coppola Comedian Murray auf den Leib. Der Star solch unvergessener Meisterwerke wie «Und täglich grüsst das Murmeltier» (1993) oder «Ghostbusters» (1984) sagte glücklicherweise zu – und liess sich für seine Darstellung des gutherzigen Griesgrams Bob von seiner eigenen Japan–Erfahrung inspirieren.
«Es ist fast so, als würde man irgendwo gefangen gehalten. Man hat das Gefühl, gefoltert zu werden, weil man nicht schlafen kann, wenn man schlafen möchte. Man geht zur Arbeit und ist bei der Arbeit ständig müde, und dann geht man nach Hause und kann nicht schlafen. Das geht wochenlang so», beschrieb Murray einmal gegenüber dem britischen «Guardian» seine eigenen Erlebnisse während der Dreharbeiten des Films, die sich mit denen seiner Figur Bob decken.
Durch «Lost in Translation» wurde Scarlett Johansson zum Mega–Star
Während «Lost in Translation» einer der wenigen Filme ist, in denen Bill Murray sein tragikomisches Comedy–Talent voll ausspielen konnte, verhalf Coppolas Meisterwerk Scarlett Johansson, die erst nach Abschluss der Dreharbeiten volljährig wurde, zum grossen internationalen Durchbruch. Zuvor war die gebürtige New Yorkerin lediglich in Nebenrollen in Indie–Produktionen wie «Ghost World» (2001) oder dem Coen–Brothers–Film «The Man Who Wasn't There» (2001) aufgefallen.
Im Anschluss eilte sie in Werken wie «Match Point» (2005), «Vicky Cristina Barcelona» (2008) oder ihren umjubelten Auftritten im Marvel Cinematic Universe von Erfolg zu Erfolg – und wurde zu einer der profiliertesten und am besten bezahlten Darstellerinnen der Gegenwart.
Ganz unproblematisch ist ihre Figur Charlotte aus heutiger Sicht dabei mit Sicherheit nicht. Ohne erkennbares eigenes Ziel im Leben reist sie mit ihrem berufstätigen Ehemann nach Japan, hört sich in ihrer freien Zeit im Hotelzimmer ein aberwitziges Selbstverwirklichungs–Audiobuch an, und wird – so scheint es zumindest – von einem älteren, erfahreneren Mann ein Stück weit gerettet.
Und dennoch: Seit nunmehr 20 Jahren, seit dem US–Kinostart von «Lost in Translation» am 12. September 2003, können sich Zuschauer der eigentümlichen, zarten Verbindung zwischen den verlorenen Seelen Charlotte und Bob in Sofia Coppolas Meisterwerk nicht entziehen.