Wie schon vor rund einer Woche bei den Golden Globes hat «Succession» auch die Emmy–Verleihung am Montagabend dominiert. Die finale vierte Staffel der HBO–Serie heimste einen Preis nach dem anderen ein, genauso wie die Staffeln zuvor. Showrunner Jesse Armstrong (53) holte mit seiner Melange aus fiktivem Familiendrama und realem Vorbild auch schon 2020 und 2022 jeweils das Double bei den Globes und den Emmys als «Beste Dramaserie». Insgesamt staubte «Succession» über 80 Preise ab.
Für alle, die bislang noch einen Bogen um die Erfolgsserie (zu sehen via Sky und Wow) gemacht haben, durch den neuen Award–Hype aber umso neugieriger geworden sind: Darauf können sich «Succession»–Neulinge freuen – und hierauf müssen sie sich gefasst machen.
Die Suche nach der Nachfolge – darum geht es
Im Zentrum der vier Staffeln und jeder der insgesamt 39 Folgen steht ein erbitterter Machtkampf. Familienpatriarch Logan Roy (Brian Cox, 77) verkehrt als einflussreicher Medienmogul unter den sowohl mächtigsten als auch reichsten Menschen der Welt. Doch das zunehmende Alter, sein abbauender Gesundheitszustand und die nervigen Shareholder sorgen dafür, dass er sich widerwillig nach einem Nachfolger umschauen muss.
An potenziellen Kandidaten mangelt es ihm nicht – Logan Roy hat die drei Söhne Connor (Alan Ruck, 67), Kendall (Jeremy Strong, 45) und Roman (Kieran Culkin, 41) sowie Tochter Shiv (Sarah Snook, 36). Doch bei jedem einzelnen seiner Kinder sieht er triftige Gründe, warum es nicht geeignet dafür ist, sein gigantisches Imperium zu übernehmen. Während Roy daher nicht bereit ist, seine Macht vorzeitig abzugeben, sägt der Nachwuchs fleissig an seinem Thron – mal gemeinsam, zumeist aber jeder für sich an einem anderen Stuhlbein.
Shakespeare trifft Seifenoper
«Succession» bietet eine Mischung an, wie es sie bislang selten zu sehen gab. So bemüht sich Schöpfer Armstrong um eine Grundgeschichte, deren Anspruch sich mit Shakespeare messen will. Der Familien–interne Machtkampf der Roys borgt sich ohne viel Mühe, dies verschleiern zu wollen, zahlreiche Aspekte aus dem Stück «König Lear».
Ebenso überdeutlich ist das reale Vorbild für den skrupellosen Machtmenschen Logan Roy: Wie Rupert Murdoch (92) lenkt auch die «Succession»–Hauptfigur ein reisserisches Medien–Unternehmen, das so tief verwurzelt ist, dass dessen Einflussnahme auf Politik und Gesellschaft nicht mehr überblickt werden kann. Und wie Murdoch kann und will auch Roy nichts von seiner Macht abgeben. Erstgenannter trat erst im September des vergangenen Jahres und mit 92 Jahren ab. Bei seinem Serien–Pendant ist für den Wechsel an der Spitze hingegen ein drastischerer Vorfall notwendig ...
Zugleich ist sich «Succession» nicht zu fein, sein Intrigenspiel mit Twists und Enthüllungen zu garnieren, die geradezu «Seifenoper» schreien: Verrat und Affären, überspitzte Last–Second–Eskalationen und überraschende Tode – all das gibt es auch in «Succession» zu sehen. Mit Öl statt (Fake–)News und dem Familiennamen Ewing statt Roy – grundsätzlich aber mit sehr ähnlichem Familienzwist –, reifte vor über vier Jahrzehnten schon die Serie «Dallas» zum Phänomen.
Abstossend und anziehend zugleich
Wie zahlreiche andere Filme und Serien zielt auch «Succession» auf den Slogan «Eat the Rich» ab. In der Popkultur sind damit Werke gemeint, die durch ihre Zurschaustellung von geradezu obszöner Dekadenz selbige kritisieren. Bei Filmen sorgt derzeit «Saltburn» mit dieser Prämisse für Aufsehen, zuvor taten dies schon die Streifen «Parasite» und «Triangle of Sadness». Auch die Serie «The White Lotus» bedient sich dieser Marschroute.
Was «Succession» in jeder einzelnen Folge meisterlich beherrscht, ist eine ambivalente Form der Unterhaltung. Einerseits verabscheut man jede Faser dieser weltfremden, einander zerfleischenden Grosskotz–Familie und freut sich diebisch darüber, wenn es sich mal am Kaviar verschluckt. Andererseits ertappt sich der Zuschauer dabei, geradezu voyeuristisch in den Alltag des Top–Prozents vom Top–Prozent zu lunzen und dem Gedanken zu verfallen, wie er selbst wohl mit so einem Reichtum umgehen würde.
Zu sehen gibt es absurde Momente: Ein Sohn, der seinen Vater um «ein paar 100 Millionen» anpumpt, so wie Normalsterbliche eine Zigarette schnorren. Ein hohes Tier in Roys Firma, das schon mit einem Bein im Knast hockt und sich um die dürftige Weinauswahl hinter Gittern sorgt. Misstrauen innerhalb der Familie, das so weit reicht, dass der eigene Enkel als Vorkoster herhalten muss. Manche Szenen sind so bitterböse inszeniert, dass sie humoristisch werden, andere erhalten eine tiefe Tragik.
Der Cast – das Tafelsilber
Damit dieser Spagat gelingt, ist der Cast von «Succession» gefordert. Dass Brian Cox ein herausragender Charaktermime ist, dürfte den meisten Film– und Serienfans schon zuvor geläufig gewesen sein. Dass aber Macaulay Culkins (43) kleiner Bruder Kieran (41) mit Cox mithalten und ihm in manchen Szenen sogar die Show stehlen kann, überrascht dann doch. Ebenso wie die beiden Hauptdarsteller Sarah Snook und Jeremy Strong, die vor «Succession» weitestgehend unter dem Radar operierten und nun in aller Munde sind.
Was die vielleicht grösste Leistung des Ensembles ist: Obwohl die Figuren quasi jede Sekunde ihres Lebens damit verbringen, einander in die Pfanne zu hauen, nimmt man es ihnen dennoch ab, dass sie abseits all der Intrige eine verschrobene Form der Liebe zueinander verspüren. Da nun aber Empathie das Einzige ist, worin die Roys nicht im Überfluss schwimmen, haben sie gelernt, mit dem bisschen davon auszukommen.