Es ist der erste TV-Job ausserhalb von Europa, den sich Boris Becker (55) seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis ergattern konnte. Für den Sender «Sportdeutschland.TV» soll der Ex-Tennisprofi Ende August als Experte die Spiele an den US Open kommentieren – direkt aus den USA.
Doch kommt es wirklich dazu? Unter den Journalisten kamen an der gestrigen Pressekonferenz in München jedenfalls Fragen auf. Darf Becker, der in Grossbritannien nach wie vor und trotz Haftentlassung noch unter Bewährung steht, überhaupt in die USA einreisen? Ein Journalist der «Bild»-Zeitung, der Becker nach den Einreisebedingungen fragte, bekam keine klärende Antwort darauf. «Wir wollen beim sportlichen Thema bleiben», so Becker. Doch der ehemalige Wimbledon-Champion versicherte, dass mit seiner Einreise alles geklärt sei. Die Verantwortlichen des Senders wollten sich nicht weiter dazu äussern.
Keine Einreise nach Grossbritannien bis Oktober 2024
Denn wegen seiner nach wie vor bestehenden Bewährungsstrafe könnte das Unterfangen noch komplizierter werden, als Becker zurzeit vielleicht denken könnte. «Aufgrund seiner Verurteilung ist Herr Becker für visumfreie Reisen (ESTA) gesperrt, er müsste auf jeden Fall ein Visum beantragen», sagt Rechtsanwalt Thomas Schwab zur «Bild»-Zeitung. «Damit das US-Konsulat wegen der Vorstrafe ein solches erteilen kann, wird allerdings eine Ausnahmegenehmigung benötigt, über welche eine weitere Behörde entscheidet. Ob Visum und Ausnahmegenehmigung erteilt werden, liegt im gerichtlich nicht überprüfbaren Ermessen der beteiligten US-Behörden.» In Grossbritannien darf Becker beispielsweise bis Oktober 2024 nicht einreisen. Deshalb stand er dieses Jahr auch nicht in Wimbledon als Kommentator im Einsatz.
Gemäss Schwab müsste sich Becker allerdings beeilen, um noch rechtzeitig ein Visum zu bekommen. «Reguläre Termine sind derzeit nicht rasch verfügbar. Man kann allerdings einen Dringlichkeitstermin beantragen. Die Bearbeitung einer Ausnahmegenehmigung könnte wieder etliche Monate dauern, das heisst eine Erteilung in diesem Jahr wäre eher unwahrscheinlich», erläutert der Experte.
«Die USA sind sehr strikt, wenn es um Visa für Personen mit Bewährungsstrafe geht»
Etwas optimistischer sieht es Sebastian Sauerborn, der ebenfalls mit der «Bild»-Zeitung sprach. «Meine Erfahrung ist, dass (...) die Chancen eigentlich nicht schlecht stehen, das Visum zu erhalten. Es bedarf aber im Vorfeld auf jeden Fall sorgfältiger Vorbereitung und Planung», ist der Anwalt überzeugt.
Allerdings weiss auch Sauerborn, dass es kein Spaziergang werden dürfte, die nötigen Papiere zu bekommen. «Die USA sind sehr strikt, wenn es um Visa für Personen mit Bewährungsstrafe geht. Strafen, die als besonders moralisch verwerflich gelten – dazu zählt neben Vergewaltigung unter anderem auch Betrug – machen es zunächst unmöglich, ein US-Visum zu erhalten.»
Becker wurde im Jahr 2002 vom Landgericht München wegen Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsstrafe und im Jahr 2022 von einem Londoner Gericht wegen Insolvenzdelikten zu einer zweieinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. 231 Tage sass er hinter Gittern, ehe er vergangenen Dezember frühzeitig aus der Haft entlassen und nach Deutschland gebracht wurde. Seither tritt der dreifache Vater wieder regelmässig in der Öffentlichkeit auf, gibt Interviews, stellte eine TV-Doku über sein Leben vor und besucht Galas und Events.