Darum ist Shirin David ein Vorbild

Wenn Shirin David (28) die Bühne betritt, ist eins gewiss: Es wird heiss. In knappen, teils fast non-existenten Kostümen und mit vollen Botox-Lippen rappt die deutsche Künstlerin kraftvoll ins Mikrofon. Mit Aussagen wie «Mittelfinger an die ganzen Fuckboys» und Sätzen wie «Jede meiner Freundinnen fickt jeden deiner Freunde» bringt sie auch jetzt, während der aktuellen Arenatour, ihre Fans zum Feiern. Selbst unter angeschlagener Gesundheit sorgte sie am vergangenen Samstag im Zürcher Hallenstadion bei ihren Fans für ausgelassene Partystimmung.

Überraschend ist, dass sich unter den Zuschauerinnen und Zuschauern aber nicht nur eingefleischte Deutsch-Rap-Fans befinden. Die 28-Jährige, die mit bürgerlichen Namen Barbara Schirin Davidavičius heisst, fungiert durchaus auch als Vorbild für viele junge Teenagerinnen, die gemeinsam mit ihren begeisterten Müttern und Gottis zu den Konzerten pilgern. Ein Beweis hierfür wurde vom aktuellen Auftritt in Leipzig gleich mitgeliefert: Auf Fotos vom Konzert sind zwei circa 14-jährige Mädchen zu sehen, die während des Konzerts ein rosarotes Transparent für die Sängerin hochhalten, auf dem steht: «Shirin, Mama sagt, du darfst mein Vorbild sein» – geschmückt mit einem Herzen.

In den Kommentaren zum Bild erhält diese Aussage über die Hamburger Künstlerin Zuspruch. Eine Frau meint so etwa: «Bei dem Plakat hatte mein Mamaherz Tränen in den Augen.» Eine andere pflichtet ihr bei: «Ja!!! Ein Vorbild für alle Frauen dieser Welt!»

Shirin David, ein Vorbild?

Ein weiterer Kommentar lässt Zweiflerinnen und Zweifler des Plakates gleich wissen, man müsse Shirin David nur erst richtig verstehen, um sie als modernes Vorbild sehen zu können. Denn trotz ihres oft übersexualisierten Auftritts setzt sich Shirin David, die eine Ausbildung an einer Jugend-Opern-Akademie in Gesang, Schauspiel und Tanz absolvierte und zudem lange Zeit Ballett tanzte, klar gegen die Objektifizierung von Frauen ein. In Interviews, Songtexten und bei Auftritten plädiert die Selfmade-Millionärin auf ihre eigene Art immer wieder für Gleichberechtigung. «Disney sagte, ein Prinz wird mich retten, in echt war es Mama», rappt sie deshalb unmissverständlich. Und klipp und klar stellt sie in ihrem Song «Man’s World» fest: «Geld gemacht nicht wegen Booty, sondern weil ich clever bin.»

In einem Spiegel-Interview äusserte sie sich einst weiter zu ihrer Rolle zwischen rappender Feministin und durchgestyletem Sexsymbol. So meinte sie im Gespräch: «‹Feminismus› ist der Begriff, den wir Frauen nutzen müssen, um gehört zu werden. Aber im Kern geht es für mich um Selbstbestimmung: Jede Frau darf machen, was sie möchte, ohne verurteilt zu werden, darf Rollkragenpulli tragen oder komplett nackt sein.»

Wenn sie dann Sätze wie «Von bei Gott ist sie sexy, hin zu Vallah sie ist ne Schlampe. Die deklarieren einen Minirock zur maximalen Schande. Doch ne Frau mit Grips im Kopf wird abgetan zu 'ner Emanze» rappt, erzielt sie auch die gewünschte Wirkung. Dabei widerspricht sie auch gleich ihren Kritikerinnen und Kritikern, die ihr vorwerfen, nur vorzugeben, feministisch zu sein, während sie gleichzeitig jungen Fans suggeriere, dass Erfolg nur durch Anpassung an ein sexistisches Ideal möglich sei. Vielleicht könnte man also sagen: Die Interpretation von Shirin David ist vielschichtig und offen – und wahrscheinlich ist es ihr im Endeffekt auch schlichtweg egal, was andere über sie denken.