Wir begrüssen Giovanni Zarrella (44) im Video-Studio der Schweizer Illustrierten in Zürich. Der Italiener trägt ein dunkelblaues Shirt, eine farblich dazu passende Stoffhose und Slippers – lässig und trotzdem chic, wie man es von einem Italo-Deutschen wie Giovanni erwartet. Von Anfang an beweist er, dass er den südländischen Charme voll und ganz lebt, begrüsst einen mit «Ciao, Bella» und hält die Tür für einen auf. Kurz bevor es los geht, wirft er noch einmal einen Blick in den Spiegel, richtet sich die Haare und trällert ein paar Zeilen vor sich hin. Gut, dass er sich schon einsingt, das wird ihm gleich noch zu Gute kommen, denn Giovanni muss für uns singen.
Aber nein, wir verlangen keine Kostprobe aus seinem neuen Album «Per sempre» – wir haben ein 2000er Quiz mit ihm geplant. Immerhin wurde Giovanni Zarrella 2001 mit der Casting Band Bro’Sis über Nacht berühmt. Bevor wir mit dem Entertainer über seine neue Platte und seinen Erfolg sprechen, muss er uns aber zuerst zeigen, wie gut sein Wissen über die Musik der 2000, also seine damalige Konkurrenz, ist.
Und genau hier stellt Giovanni sein Gesangstalent unter Beweis, denn er gibt von sechs durch uns ausgewählte Hits der 2000er-Jahre den Refrain zum Besten. Obwohl wir ihm den Songtext aufgeschrieben haben, wirft er kaum einen Blick darauf und während der Songs merkt man sofort, wo Giovannis Leidenschaft liegt. Als er «Fuoco nel fuoco» von Eros Ramazzotti zum Besten gibt, läuft man Gefahr, dahin zu schmelzen, denn im Italienischen fühlt Giovanni sich daheim und mehr Gefühl kann man wohl kaum in einen Song packen.
So viel Spass es macht, ihm beim Singen zuzuhören, müssen wir bald zum seriösen Teil übergehen und sprechen mit Giovanni über den Weg zu seinem Solo-Erfolg, der nicht so locker lässig zu bewältigen war, wie Giovanni den Eindruck vermittelt. «Es dauerte ganze 14 Jahre, bis ich endlich mit meiner eigenen Musik erfolgreich war. Ich stand während dieser Zeit mehrmals an dem Punkt, aufzugeben», erzählt er uns. Was ihm die Kraft gab, immer weiter zu machen und weiterhin an sich zu glauben? «Das waren immer verschiedene Faktoren, mal meine Familie, mal Freunde, mal meine Ehefrau. Sie ermutigten mich immer wieder, weiterzumachen und hatten Vertrauen in mich und mein Können.»
Er gab sich Zeit bis ins Jahr 2018, denn da war für Giovanni eigentlich das Ende der Fahnenstange erreicht. «Einen Versucht wage ich noch, ein Album. Wenn das nicht klappt, veröffentliche ich keine Musik mehr», erzählte Giovanni Zarrella damals seinem guten Freund Pietro Lombardi. Die zündende Idee, die er für das Album hatte, waren deutsche Schlager, neu interpretiert in Giovannis Muttersprache Italienisch – angehaucht mit südländischem Flair. Und eben jener Einfall sollte den zweifachen Vater in den Schlager-Olymp katapultieren, wo er es sich inzwischen sehr bequem gemacht und einen festen Platz gesichert hat.
Kürzlich brachte Giovanni sein drittes Album heraus und nimmt uns mit «Per sempre» auf eine Zeitreise durch die Jahrzehnte mit. Jedes Lied oder die jeweiligen Interpreten und Interpretinnen verbindet der Sänger mit Momenten und bestimmten Erinnerungen aus seinem Leben. Von ABBA, über Wham bis zu Robbie Williams ist so ziemlich alles dabei – womit Giovanni den Geschmack durch die Generationen hinweg trifft. Besonders ins Schwärmen kommt der Künstler bei den Backstreet Boys, von denen er das Lied «Quit playing games with my heart» auf dem neuen Album gecovert hat. «Ich wollte früher immer unbedingt ein Backstreet Boy sein. Die wirkten immer so cool und ich hab mir dann immer vorgestellt, mit ihnen in ihrem Tour-Bus abzuhängen», erzählt Giovanni. Da gehörte ein Lied der Boyband natürlich zum Pflichtprogramm auf seinem neuen Album.
Und der Song «Angels» von Robbie Williams versetzt ihn zurück in seine Teenie-Zeit, als er als Schüler auf Partys war. «Da kam dann dieses Lied und alle haben Slow-Blues getanzt. Und man hat einfach versucht, den Mut aufzubringen und dieses eine Mädchen aus der 8C anzusprechen und zum Tanz aufzufordern.» Ja ja, das waren noch Zeiten. Ob er heute mit seiner Ehefrau Jana-Ina auch ab und zu noch Slow-Blues tanzt, fragen wir ihn. Da muss er schmunzeln. «Ja, doch. Wir sind beide sehr romantisch, unterstützen den anderen, wo wir können und sind auch voneinander die grössten Fans», schwärmt er von der Frau, die bereits seit 2005 verheiratet ist. Sie war es auch, die ihm nach der Trennung von Bro’Sis aus dem Loch heraus half, in dem er sich befand.
Trotz seines Erfolgs ist Giovanni Zarrella auf dem Boden geblieben. Doch auch er muss zugeben, schon den ein oder anderen Diva-Moment gehabt zu haben. «Damals bei Bro’Sis haben wir einmal ein Fotoshooting in einem Freibad gemacht und die wollten, dass wir alle Badekleidung anhaben. Da hab ich gesagt, dass ich das doof finde und nicht machen will. Ich sollte so eine knappe, rote Badehose anziehen und das wollte ich nicht. Ich hab dann letztlich ein sehr langes T-Shirt drüber getragen, das ging fast bis zu den Knien und hab das Fotoshooting sozusagen im Kleid gemacht», erinnert er sich zurück.
Betrachtet man Giovannis Diskografie, fällt auf, dass die Musikrichtung R’n’B von Bro’Sis und die auf italienisch gecoverten Schlager von heute nicht wirklich zusammen passen. Man könne da aber auch gar keinen Bogen ziehen, sagt Zarrella. «Die Verbindung besteht nicht zwischen Bro’Sis und meiner jetzigen Musik, sondern vielmehr zwischen dem, was ich schon immer war, nämlich ein Junge von italienischen Eltern, der in Deutschland geboren wurde und mit diesen beiden Kulturen aufgewachsen ist.» Er habe schon als Kind auf Stadtfesten Songs auf italienisch zum Besten gegeben und habe diese Lieder geliebt. Daher sei es für ihn logisch gewesen, jetzt die Musik zu machen, hinter der er voll und ganz stehen könne.
Hatte wegen des Schlagers nie Angst um sein Image als Pop-Star? «In Italien unterscheiden wir da innerhalb vom Pop nicht. Pop-Hymnen aus den 80er Jahren wie Felicita waren bei uns einfach Pop-Songs, während die in Deutschland in die Schlager-Schublade gesteckt wurden. Es ging mir nie darum, eine bestimmte Musikrichtung zu machen, sondern nur darum, Musik zu machen», erklärt uns Giovanni.
Jetzt, da er älter ist, möchte er nur noch Musik machen, die ihm wirklich gefällt und hinter der er stehen kann. «Ich mag mich jetzt viel lieber, als vor 20 Jahren», sagt Giovanni Zarrella. Das gebe ihm auch das Selbstbewusstsein, das zu tun, worauf er Lust hat und in das zu glauben, was er macht. Wenn er könnte, würde er sein Leben jetzt einfrieren, denn seine Karriere floriert, seine Eltern sind noch gesund und munter, er hat zwei «fantastische Kinder» und «eine Frau, die mich liebt», sowie tolle Geschwister. Man merkt Giovanni an, wie glücklich er ist und dass er angekommen ist. Und man gönnt es dem sympathischen Musiker von Herzen.
Sein neues Album «Per sempre» ist inzwischen auf dem Markt und lasst euch sagen: Es lohnt sich! Wir sagen: Grazie, Giovanni und bis zum nächsten Mal!