Eine Frau, vier Männer und ein Mythos: Die Künstlerin und Aktivistin Yoko Ono wurde an der Seite des genialen Sängers John Lennon (1940-1980) weltweit bekannt. Doch lange hatte die exzentrische Frau mit den langen, schwarzen Haaren alles andere als einen guten Ruf. Viele Fans der legendären britischen Band The Beatles glauben bis heute, dass sich Lennon, Paul McCartney (80), Ringo Starr (82) und George Harrison (1943-2001) ihretwegen getrennt hätten. Sie habe einen Keil zwischen alle getrieben – so die Legende. Doch dieser Mythos wurde längst widerlegt und Ono ist weitaus mehr als nur die Witwe Lennons. Zum 90. Geburtstag am 18. Februar gibt es spannende Fakten über eine vielschichtige Frau.
Eine wegbereitende Künstlerin
Was viele bei Yoko Ono gerne vergessen: Sie hatte sich bereits vor der Ehe mit John Lennon einen Namen in der Kunstszene gemacht. Sie etablierte sich in New York als Konzeptkünstlerin und gilt als Wegbegleiterin der US-amerikanischen Fluxus-Bewegung. Dabei kommt es nicht auf das Werk an sich an, sondern vielmehr auf die schöpferische Idee. Zu ihren bedeutendsten Konzeptarbeiten gehört «Cut Piece» – dabei durfte das Publikum mit einer Schere die Kleidung der Künstlerin Mitte der 60er Jahre herunterschneiden. Bis heute gehört es zu einem geschätzten Werk der Performancekunst. US-Model Kendall Jenner (27) hat es für das «W Magazine» einmal humoristisch nachgestellt.
Eine Frau gegen Konventionen
Nicht nur in ihrer Kunst ist Ono eine Vorreiterin ihrer Zeit. Auch als Musikerin hat sie einige Konventionen gebrochen. So hat sie zusammen mit John Lennon in den 60er- und 70er-Jahren mit Tönen gearbeitet – Schreie und Tiergeräusche gehörten dazu. Für viele Beatles-Fans, die vor allem eingängige Melodien gewohnt waren, ein absoluter Schock. «Ich wollte Dinge ausprobieren, die vorher noch niemand riskiert hatte», erklärte die heute 90-Jährige 2010 in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung».
Mit ihrem ersten gemeinsamen Album «Unfinished Music No.1: Two Virgins» sorgte das Duo Lennon und Ono ebenfalls für Aufsehen – vor allem aufgrund des Covers. Denn darauf sind die beiden nackt zu sehen und das in den prüden 1960er Jahren. Als Aktivistin setzt sie sich bis heute für gute Dinge ein. Mit ihren «Bed-Ins» und ihrem Film «Bed Peace» kämpfte sie an der Seite ihres Mannes im Jahr 1969 für den Weltfrieden. Auch später setzte sie sich unter anderem für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ein und beteiligte sich 2004 an einer Kampagne gegen Präsidentschaftskandidat George W. Bush (76) – nichtsdestotrotz wurde er wiedergewählt.
Eine Liebe gegen alle Widerstände
Ohne Frage: Die Beziehung zwischen Yoko Ono und John Lennon war intensiv. Die beiden lernten sich 1966 auf ihrer Ausstellung in London kennen und blieben in Kontakt. Zwei Jahre später endete das Ganze in einer Affäre, beide liessen sich daraufhin von ihren Ehepartnern scheiden. Während Ono damals mit Anthony Cox (86) verheiratet war und mit ihm eine gemeinsame Tochter hatte, war Lennon mit Cynthia (1939-2015) liiert – auch die beiden hatten Sohn Julian (59) zusammen. Nach einigen Widerständen heirateten Ono und Lennon schliesslich 1969 auf Gibraltar.
Schwierige Zeiten für Yoko Ono
Aber nicht immer verlief alles harmonisch. So waren die beiden zwischenzeitlich, rund 18 Monate, getrennt. Es wurde damals über wilde Partynächte berichtet, denen sich Lennon während dieser Zeit hingegeben haben soll. «Ich schäme mich, wenn ich an diese Zeit denke. Ich habe mich damals wie ein Idiot benommen», sagte er später im Interview mit dem «Playboy». Während Ono durch Japan tourte und ein Album aufnahm, gab sich Lennon einer neuen Frau hin. Er hatte ein Verhältnis mit ihrer langjährigen Assistentin May Pang (72), die beiden zogen sogar zusammen. Später bezeichnete der Musiker die Zeit als «verlorenes Wochenende». Aber auch Ono hatte ihre Finger im Spiel: Sie schlug Pang vor, dass sie die Geliebte ihres Ehemanns werde und arrangierte alles. Anfang 1975 fanden Ono und Lennon schliesslich wieder zueinander. Im Oktober wurde der gemeinsame Sohn Sean (47) geboren.
Zuvor machte Ono schon eine harte Zeit durch. Nach der Scheidung verschwand ihr Ex-Mann Anthony Cox mit der gemeinsamen, damals siebenjährigen Tochter Kyoko (59). Die Künstlerin sah sie erst als Erwachsene wieder. «Ich vermisste sie so sehr, dass es körperlich weh tat. Als ob jemand einen Teil meines Körpers weggerissen hätte», sagte sie 2010 in einem Interview mit dem Magazin «Brigitte». Zusammen mit Lennon habe sie jahrelang nach ihrer Tochter gesucht. «Er war immer der Antrieb, auch wenn ich nicht mehr konnte.» Den Kontakt mit ihrer Tochter beschrieb sie damals als «gut».
Eine Frau zerstörte die Beatles – oder nicht?
Lange Zeit wurde der Mythos aufrechterhalten, dass Yoko Ono der Grund für die Trennung der Beatles war. Doch Bandmitglied Paul McCartney hat in der «Howard Stern Show» unlängst erklärt, wie es wirklich abgelaufen ist. John Lennon habe die Gruppe aufgelöst. «Es gab ein Treffen, bei dem John hereinkam und sagte: ‹Ich verlasse die Gruppe.›» Ono sei eine gute Wahl für seinen Freund gewesen, stellte McCartney klar. «Auch wenn wir dachten, sie sei aufdringlich, weil sie bei den Aufnahmen dabei war und wir so etwas zuvor nie hatten. Aber wenn man zurückblickt, denkt man: ‹Der Typ war total in sie verliebt. Und das muss man einfach respektieren.› Also taten wir das.»
Die Pflege eines Erbes
Am 8. Dezember 1980 kam es zum tragischen Ereignis: John Lennon wurde vor ihrem Zuhause in New York von einem geistig verwirrten Mark David Chapman (67) erschossen – vor Yoko Onos Augen. Nach diesem schrecklichen Tag ist die Künstlerin damit beschäftigt, das Lebenswerk ihres verstorbenen Ehemanns zu ehren und zu bewahren. Sie veröffentlichte über die Jahre Material Lennons, zudem war sie bei einigen Dokumentationen als Produzentin an Bord, etwa bei Peter Jacksons (61) «The Beatles: Get Back».
Bis heute lebt sie im Dekota Buildung in New York. Also in dem Haus, vor dem ihre grosse Liebe erschossen wurde. Ono geht regelmässig gegen den Gebrauch ihres Namens oder Lennons vor. So wollte ein Getränkehersteller seine Limonade unter dem Namen John Lemon verkaufen – die Künstlerin hat das Ganze unterbunden. Fans des verstorbenen Sängers können im Central Park eine kleine Gedenkstätte besuchen, die Yoko Ono nach seinem Tod gestaltet hat. Diese trägt den Titel «Strawberry Fields» und ist nach dem Beatles-Song «Strawberry Fields Forever» benannt.
Trauer mischt sich mit Kampfgeist
Regelmässig wendet sich Yoko Ono an die Verantwortlichen und fordert, dass der Mörder ihres Ehemanns niemals aus der Haft entlassen wird. Im August 2022 wurde zuletzt sein Entlassungsgesuch abgelehnt. Den Tod ihrer grossen Liebe verarbeitete sie auf ihre Art und Weise: Für das Cover ihres Albums «Season of Glass» (1981) platzierte sie seine blutverschmierte Brille auf einem Tisch in der gemeinsamen Wohnung. In dem Album verarbeitete sie den tragischen und viel zu frühen Verlust.
Doch Ono musste auch viel einstecken: «In den letzten fünfzig, sechzig Jahren wurde ich beschimpft, wurden Lügen über mich verbreitet und Hassbriefe an mich geschickt», erzählte sie 2013 der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Den Hass habe sie in positive Energie umgewandelt. «So viel Energie war das, dass ich jetzt genug für zweihundert Jahre habe.» Die Hoffnung verlor sie nicht, arbeitete auch nach dem Tod Lennons als Künstlerin. 2009 erhielt sie bei der Kunstbiennale in Venedig den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk.