Kronprinz Hussein bin Abdullah (28), der älteste Sohn von Jordaniens König Abdullah II. (61), heiratet am 1. Juni die Architektin Rajwa Khalid Alseif (29), die mit dem saudischen Königshaus verwandt ist. Die Feierlichkeiten im Zahran-Palast in Amman, der Hauptstadt des Königsreichs Jordanien, sowie im Al Husseiniya-Palast werden schon jetzt als orientalische Märchenhochzeit wie aus «Tausendundeine Nacht» gepriesen.
Jordaniens Königin Rania (52), die schöne Mutter Husseins, sagte unter Tränen: «Ich werde nie vergessen, wie glücklich Seine Majestät und ich waren, als Al Hussein uns sagte, er wolle Rajwa heiraten. Sie ist die perfekte Antwort auf all meine Gebete für ihn.»
Hussein gilt als unmittelbarer Nachfahre Mohammeds
Bei der Eheschliessung wird nach der Unterzeichnung des Hochzeitsvertrages von den muslimischen Gläubigen die sieben Verse der Sure Al Fatiha des Korans gebetet. Sie ist die erste von insgesamt 114 Suren und heisst übersetzt: die Eröffnende. Islamische Theologen gehen davon aus, dass es der Prophet und Religionsstifter Mohammed (570-632) war, der die Offenbarung dieser Sure hatte.
Der Bezug auf den Propheten ist bei dieser Hochzeit besonders bedeutsam, weil Hussein als unmittelbarer Nachfahre Mohammeds in der 42. Generation gilt. Der Kronprinz gehört dynastisch zu den Haschemiten und damit zum Hochadel des Islams. Das Königsgeschlecht geht auf Hāschim ibn Abd Manāf (6. Jh.) zurück, dem Urgrossvater Mohammeds.
Die Haschemiten herrschten Jahrhunderte lang auf der arabischen Halbinsel und waren Hüter der Heiligtümer in Mekka und Medina. 1925 wurden sie von den neuen Herrschern vom Stamm der Saudis vertrieben. Husseins Ahnen, die noch an der Seite von Lawrence von Arabien gegen das osmanische Reich gekämpft hatten, nahmen den Thron in der Kalifenstadt Bagdad ein (bis 1958) oder zogen – ein anderer Teil der Familie – in die jordanische Wüste, wo 1946 das Königsreich Jordanien gegründet wurde.
Thronfolger hat in Washington studiert
In den meisten westlichen Medien hat die Monarchie in Amman das Image eines orientalischen Herrscherhauses wie aus dem Bilderbuch. Das liegt nicht zuletzt an Husseins attraktiver Mutter Rania, die als schönste Königin der Welt gilt und als «Diana des Orients» gefeiert wird. Die Königsfamilie residiert im Raghadan-Palast über Amman.
Hussein tritt wie sein Vater König Abdullah II. gern in Uniform auf, er ist pro-westlich eingestellt und hat (wie sein Vater und Grossvater) seine militärische Ausbildung in England (Offiziersakademie Sandhurst) und das Studium der internationalen Geschichte an der Georgetown-Universität in Washington D.C. (USA) absolviert. Er ist Captain (Hauptmann) der jordanischen Armee. Seine künftige Frau wurde ebenfalls im Westen ausgebildet, sie studierte an US-Universitäten in New York und Los Angeles.
Die Königsfamilie von Amman lebt mitnichten in den Wohlfühlzonen westlicher Könighäuser wie in den Niederlanden, in Grossbritannien, Spanien, Schweden oder Norwegen. Hussein wird als künftiger König und Nachfolger seines Vaters Abdullah II. Herrscher eines Landes mit konstitutioneller Monarchie sein. Der König von Jordanien, der sich auch als Beschützer der al-Aqsa-Moschee in Jerusalem sieht, dem drittwichtigsten Heiligtum des Islam, ist Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitmächte eines arabischen Landes von über zehn Millionen Einwohnern, das von inneren und äusseren Konflikten geprägt ist.
Auf seinen Grossvater König Hussein I. (1935-1999) wurden über 30 Attentate verübt, die er alle überlebte. Ururgrossvater König Abdallah I. wurde 1951 in der al-Aqsa-Moschee in Jerusalem von einem Palästinenser erschossen.
Das Königshaus muss stets mit dem Schlimmsten rechnen
Selbst die glamouröse Verbindung von Husseins Eltern hat einen ernsten politischen Hintergrund. Mutter Rania entstammt einer palästinensischen Familie. Mit dieser Ehe wollte man die palästinensischen Flüchtlinge, die über 50 Prozent der einheimischen Bevölkerung (7 Mio.) ausmachen, besänftigen und die innenpolitischen Spannungen Jordaniens befrieden. Das ist leidlich gelungen, das amtierende Königspaar funktioniert als Klammer zwischen den alteingesessenen Jordaniern und zugewanderten Palästinensern. Hinzu kommen noch Millionen von Flüchtlingen aus dem Irak und aus Syrien.
Das Königshaus von Jordanien muss stets mit dem Schlimmsten rechnen. «Feinde hat die vom Westen protegierte und mit Israel zusammenarbeitende Herrscherfamilie viele – Islamisten sind darunter, andere arabische Herrscherdynastien und immer wieder auch Mitglieder der eigenen Familie», schrieb der «Spiegel» im vergangenen Frühjahr.
Bei der Ermordung von Husseins Ururgrossvaters Abdallah I., dessen arabischer Attentäter eine dauerhafte Aufteilung Palästinas durch Jordanien und Israel verhindern wollte, sah der britische Orientalist Robin Leonard Bidwell auch ein Tatmotiv beim jordanischen Kronprinz Talal (1909-1972). Um ein vereinigtes haschemitisches Königreich von Irak und Jordanien zu erreichen, wollte Abdallah nicht seinen Sohn als Thronfolger einsetzen, sondern den irakischen König Faisal II., ebenfalls einen Verwandten.
Abdallah hatte kurz vor seinem Tod gesagt: «Ich weiss, dass ich von meinem eigenen Sohn gehasst werde.» Der Mord an ihm hat diesen Plan verhindert. Der angeblich nervenkranke Talal wurde König, aber nach einem Jahr wieder abgesetzt, zugunsten seines erst 16-jährigen Sohns Hussein.
Auf einem Pulverfass
Hussein war bis 1999 fast 47 Jahre König von Jordanien. Zwei Wochen vor seinem Krebstod setzte er statt seines Bruders Hassan ibn Talal seinen ältesten Sohn Abdullah als Thronfolger ein, allerdings mit der Vorgabe, dass dann nicht Abdullahs Sohn Hussein Kronprinz werde, sondern Abdullahs jüngerer Halbbruder Hamzah (43). Dieser war der Lieblingssohn von König Hussein I. und galt lange Zeit als sein Nachfolger.
Hamzah war bis 2004 Thronfolger, dann setzte ihn König Abdullah II. ab. Sein Sohn Hussein wurde neuer Kronprinz. Dessen ungeachtet verfolgte Hamzah, der nicht nur wegen seiner verblüffenden Ähnlichkeit mit König Hussein I. bei der jordanischen Beduinen besonders beliebt ist, seine eigenen Interessen und kritisierte während des Arabischen Frühlings (2010-2011) deutlich die Regierung seines Halbbruders.
Vor zwei Jahren wurde bekannt, dass König Abdullahs «straff organisierter Sicherheitsapparat» («Spiegel») offenbar einen Putsch vereitelt konnte. Einer der Drahtzieher soll Hamzah gewesen sein, der unter Hausarrest gestellt wurde. Der Vorwurf: «Aufwiegelung» mit dem Ziel der «Destabilisierung der Sicherheit Jordaniens». Im Frühjahr 2022 verzichtete Hamzah öffentlich auf den «Titel des Prinzen».
Seinem Bruder, dem König, hat das nicht gereicht. Er erklärte ebenfalls öffentlich, dass Hamzah keinerlei Reue zeige und daher «die Kommunikation, der Aufenthaltsort und die Bewegungsfreiheit von Prinz Hamzah» eingeschränkt werden müsse. «Wir werden Hamzah alles geben, was er braucht, um ein angenehmes Leben zu führen, aber er wird nicht den Raum haben, den er einst missbrauchte, um die Nation, ihre Institutionen und seine Familie zu beleidigen oder die Stabilität Jordaniens zu untergraben.»
Diese Entwicklung zeigt einmal mehr, dass der märchenhafte Glanz, den das jordanische Königshaus in diesen Tagen wieder mal verbreitet, wie ein feiner Nebel die politische Realität kaschiert: Man sitzt nach wie vor auf einem Pulverfass.