Betritt Bänz Friedli (59) eine Bühne im Berner Oberland, sind dem Kabarettisten schon erste Lacher sicher, noch ehe er losgelegt hat mit seinem Programm. Allein sein Rufname erheitert das dortige Publikum. «Bänz» ist zwischen Thun und Lenk ein geläufiger Ausdruck für ein Schaf – oder aber für einen fetten, gutmütigen Hund. Dabei steht Bänz bei Bänz Friedli einfach als Kosename für Bendicht. In Friedlis Familie wird dieser Vorname seit je vom Onkel an den Neffen weitergegeben. So war der 2014 verstorbene Arzt und Maler Bendicht «Bänz» Friedli ein Onkel des Kabarettisten. Ein Werk des Malers schmückt heute Friedlis Flur in der Wohnung in Zürich Albisrieden.
Seit 29 Jahren lebt der in Bern geborene und im Ortsteil Uettligen der Gemeinde Wohlen bei Bern aufgewachsene einstige Journalist jetzt in der Limmatstadt. Letzthin hielt ihm eine Radiofrau vor, er «verkaufe sich immer noch als Berner», weil Friedli, obwohl so lange Zeit weg aus der Heimat, noch immer keine Zürischnurre habe. «Was heisst ‹verkaufen›?» entgegnet er. Bärndütsch sei die einzige Sprache auf der Welt, die er absolut beherrsche und in der er sich wirklich so ausdrücken könne, wie er es möchte. «Mundart ist nicht nur die Sprache des Herzens, sondern auch der Präzision», philosophiert Friedli.
Das hat bei Bänz Friedli überhaupt nichts mit Koketterie zu tun. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia nennt ihn einen «Sprachkünstler». Und sogar die Schriftstellerlegende Franz Hohler (81), als Kabarettist ein begnadeter Erzähler, ist vom jüngeren Kollegen angetan: «Schön, wieder mal jemanden zu sehen, der nichts braucht als sich selbst, um eine Bühne und einen Abend zu füllen, sondern der nur auf die Sprache und ein Minimum an Gestik vertraut, um seiner Zeit nachzuspüren.» Als Friedli den Autor, den er bereits als Jugendlicher bewunderte, bei einem seiner eigenen Auftritte im Zürcher Theater am Hechtplatz im Publikum entdeckte, habe er plötzlich «weiche Knie» bekommen.
Seit 2011 tourt Bänz Friedli mit eigenen Bühnenprogrammen durchs Land. Sehr erfolgreich. 2015 erhält der Kabarettist dafür den Salzburger Stier, einen der bedeutendsten Kleinkunstpreise im deutschsprachigen Raum. Dass er jetzt mit dem Schweizer Kabarett-Preis Cornichon geehrt wird, setzt dem Stier im übertragenen Sinn die Krone auf. In ihrer Begründung hält die Jury Folgendes fest: «Friedli geht auf den Veranstaltungsort und das Publikum ein wie kein anderer. Seine Lust, immer aktuell zu sein und auch regionale Besonderheiten ins Programm aufzunehmen, bedingt, dass er sich für jeden Abend aufwendig mit dem Spielort auseinandersetzt. So ist jeder Auftritt einzigartig, und diese besondere Art macht ihn zu einem aussergewöhnlichen Kabarettisten.»
Sprache spielte in Bänz Friedlis Elternhaus schon früh eine Rolle, seine Eltern waren beide Lehrer. Sein verstorbener Vater habe Verse «bis zum Abwinken rezitiert – vor allem die wüsten», sagt Friedli lachend und gibt spontan zwei Kostproben zum Besten. «Heine dichtete: ‹Was dem Menschen dient zum Seichen / Damit schafft er seinesgleichen›. Und Goethe reimte: ‹Und hintendrein komm ich bey Nacht / Und vögle sie, dass alles kracht›.»
Letzteren Spruch zitiert Friedli gern, wenn sich Zeitgenossen über die rüde Sprache im Gangsta-Rap echauffieren – und er entgegenhält, dass der gefeierte Dichterfürst keinen Deut besser gewesen sei. Womit Friedli geschickt den Bogen zu einer weiteren grossen Leidenschaft spannt: der Musik! Er gilt als profunder Kenner italienischer Musik ab den 1950er-Jahren bis heute. Der Schweizer sitzt gar seit 34 (!) Jahren in der Jury des Premio Tenco, eines italienischen Musikpreises, der seit 1974 an der Rassegna della canzone d’autore (Festival des Autorenlieds) nicht nur an Liedermacher aus dem eigenen Land vergeben wird, sondern auch an internationale Musikgrössen wie Jacques Brel, Leonard Cohen, Tom Waits oder Nick Cave ehrt.
Sein Musikwissen eignete er sich als Jugendlicher an – auf Italienreisen mit einem Schulgspänli. Und er baute dieses Wissen später bei Radio Förderband aus, wo er nach kurzer Zeit eine eigene wöchentliche Sendung mit italienischer Musik erhielt. Wie er das geschafft hat? «Mit Frechheit!» Irgendwer hatte am Radio den Namen des Liedermachers Fabrizio De André falsch ausgesprochen. «Ich schrieb einen Brief und motzte, das gehe gar nicht. Sie sollten doch bitte schön mich anrufen.» Der Anruf kam – es war der Startschuss für die Karriere von Sibesiech und Tausendsassa Bänz Friedli.