Den 4. Februar 2024 wird Daniel Yule (31) nicht so schnell vergessen. An diesem Tag gelingt ihm beim Slalom von Chamonix in Frankreich ein Weltrekord: Nach Rang 30 im ersten Lauf startet er im zweiten zur perfekten Aufholjagd und gewinnt das Rennen. «Ich habe geschäumt vor Wut», sagt er damals in die Mikrofone. Er habe in Gedanken schon die Koffer gepackt. Heute blickt er relaxter auf den Tag zurück. «Es war schon sehr speziell», erzählt der 31-jährige Unterwalliser. «Solange man aktiv ist, schaut man immer vorwärts, auf die nächste Saison. Aber dieser Weltrekord ist schon schön.»
Vom «Guinness-Buch der Rekorde» habe er aber nichts gehört, meint er lachend. «Ich hatte Glück, dass ich überhaupt in den Top 30 geblieben bin und die Abstände nach dem ersten Lauf nicht riesig waren.» Zudem habe die Piste im warmen Wetter nachgelassen, es sei ein grosser Vorteil gewesen, im zweiten Lauf zuerst zu starten. «Und ja, das war der beste Lauf meiner ganzen Karriere. Wenn man als 30. des ersten Laufs am Start steht, hat man nichts zu verlieren.»
Das Wallis ist seine Heimat
Der Sohn von Anita, einer Schottin, und Andrew, einem Engländer, wird in Martigny VS geboren und wächst im Val Ferret auf. Die ganze Familie Yule ist natur- und sportbegeistert. «Für mich ist das Wallis ein kleines Paradies. Es war definitiv die Natur, die zuerst meinen Vater und dann meine Mutter angezogen hatte.» Als Junge bleibt Yule seinen britischen Wurzeln treu und spielt Fussball, zumindest im Sommer. Doch im Winter zieht es ihn schon früh auf die Ski. «Alle meine Freunde waren im Skiklub», erinnert er sich. Auch die Eltern sind begeisterte Skifahrer. «Vom Wettkampfsport hatten sie damals keine Ahnung», lacht Yule. «Heute schon etwas mehr.» Das Skifahren begeistert ihn, der Wettkampfgeist steckt in ihm. 2008 wird die Familie eingebürgert und Daniel ins Juniorenkader von Swiss-Ski aufgenommen.
Daniel Yule in Fakten
Der Unvollständige
«Wengen und Schladming fehlen mir noch», sagt Daniel Yule. Diese Siege möchte er noch holen.
Der Modellathlet
Daniel Yule ist 1.87 m gross und wiegt 88 kg.
Der Unbeständige
Die letzte Saison ist ein Auf und Ab. Podestplätze, Ausfälle, Aufholjagden, Siege und wieder Ausfälle. Yule wünscht sich mehr Konstanz.
Der Wassermann
Daniel Yule wird am 18. Februar 1993 in Martigny VS geboren. Er hat einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester.
Der Erfolgreiche
Mit sieben Weltcupsiegen im Slalom war bisher kein Schweizer in dieser Disziplin besser als Yule. Er ist zudem Olympiasieger und Weltmeister mit der Mannschaft.
Der britische Jugendmeister
Yule gewinnt zwei britische Jugendmeistertitel.
Der Clevere
Seine Matura absolviert Daniel Yule am Gymnasium von Saint-Maurice VS. Später studiert er Wirtschaftswissenschaften in Grossbritannien.
Yule betrachtet sich selbst als «schöne Mischung». Im Skifahren sei er einhundert Prozent Schweizer. «Alles, was ich gemacht habe im Skifahren, war im Schweizer System.» Auch sein schulischer Werdegang sei schweizerisch. «Bis zur Matura habe ich alle Schulen hier besucht, ich habe auch einen Walliser Akzent, wenn ich Französisch rede.» Mit seinen Eltern, dem älteren Bruder Alastair und der jüngeren Schwester Vanessa unterhält sich Yule aber auf Englisch. «Ich denke, dass ich durch meine Herkunft eine gewisse Weltoffenheit habe. Das sehe ich positiv. Doch wenn man mich fragt, wo ich mich zu Hause fühle, nenne ich das Val Ferret.»
Die Verbundenheit mit der Natur trägt ihn durch sein Leben. Den Sommer verbringt Daniel Yule zu Hause, treibt Sport, trifft Freunde. «Ich habe den Vorteil, dass mir die einfachen Sachen gefallen, die ich daheim machen kann.» Zudem habe sein Bruder geheiratet. «Das hat eine Woche meiner Ferien vereinnahmt», meint er schmunzelnd.
Besonders am Herzen liegen ihm Natur- und Klimaschutz. «Es ist mir sehr bewusst, dass ich als Skifahrer kein Vorbild bin.» Deshalb setzt er dort an, wo er die Möglichkeiten hat. «Ich esse fast kein Fleisch mehr und wenn, dann stammt es von einem Bauernhof in der Region.»
Zudem reise er, wann immer möglich, mit dem Zug. Kleider versuche er möglichst lange zu tragen und dann weiterzugeben. «Es sind nur kleine Sachen, aber da versuche ich mein Bestes. Wenn ich nächstes Jahr besser bin als dieses Jahr, ist das schon viel wert. Als Skifahrer lebe ich sehr nahe an der Natur, und ich sehe die Veränderungen. Es liegt mir am Herzen, mitzuhelfen, die Natur zu schützen.» Er sei auch nicht von einem Tag auf den anderen Weltcupfahrer geworden, meint Daniel Yule. «Das ist auch meine Botschaft: Jede Veränderung braucht Zeit. Man lebt nicht von heute auf morgen CO2- oder klimaneutral. Aber jeder Schritt bringt uns näher ans Ziel.»
«Die Skiverbände haben erkannt, dass in Sachen Umwelt etwas getan werden muss. Das ist ein grosser Schritt»
Daniel Yule
Auch der Skisport könne in diesem Bereich Fortschritte machen, so Yule. «Das Problem wird wahrgenommen, der Skiverband hat den Willen, etwas zu bewegen, den Skisport nachhaltiger zu machen. Das ist für mich die grösste Veränderung – man ist auf dem Weg und findet in den nächsten Jahren hoffentlich konkrete Lösungen.»
Daniel Yule: «Für eine Familie braucht es immer zwei»
Nun konzentriert sich der Walliser auf die bevorstehende Saison. «Touch wood», sagt er und klopft sich an den Kopf. «Ich bin gesund, das ist immer das Wichtigste.» Konditionell fühle er sich stark, und auch auf den Ski habe er sich in der Vorbereitung in Argentinien wohlgefühlt. Er möchte im neuen Skiwinter konstant seine beste Leistung zeigen. «Klar, als Sportler träumt man von Siegen. Eine WM-Medaille ist ein Traum. Wir haben in der Schweiz aber ein sehr starkes Slalomteam, und es gibt nur vier Startplätze. Ich nehme es Schritt für Schritt.»
«In der Liebe bin ich geduldiger unterwegs als auf den Ski»
Daniel Yule
Träume hat Yule auch schon für die Zeit nach dem Spitzensport. «Ich würde gern mal eine Weile am Meer leben. Das Meer fasziniert mich.» Da drückt vielleicht doch der Brite wieder durch. «Es wäre schön für einen Neustart, beruflich und persönlich.» Vielleicht wünscht er sich auch eine Familie, irgendwann. «Dafür braucht es aber zwei», meint er und lächelt. «Hier bin ich etwas geduldiger unterwegs als auf den Ski.»