«Nein, gar nicht», antwortet Barbara Lüthi auf die Frage, ob sie Zürich während ihrer zwölf Jahre als China- und Asienkorrespondentin vermisst habe. «Wo ich jeweils bin, dort bin ich zu Hause», sagt sie beim Spaziergang durch den Rieterpark in der Enge. Seit 2018 lebt die «Club»-Moderatorin aber wieder in Zürich – und hier, an diesem Ort, kommt für sie die Welt in die Stadt. Gerade zeigt das Museum Rietberg die chinesische Ausstellung «Poesie im Pinselstrich». Lüthi, die am 7. August 50-jährig wird, taucht in ihre ehemalige «Heimat» ab.
«China ist aufregend wie eine neue Liebe, erschöpft dich wie ein kleines Kind.» Als eine der ersten Personen interviewte Barbara Lüthi bei ihrer Ankunft in Peking Künstler und Aktivist Ai Weiwei, 65. «Er bringt seine Kritik am autoritären Regime auch über seine Werke an.» Sie selbst wäre noch lange Korrespondentin geblieben. «Aber mit kleinen Kindern ist dieser Job schwierig. Am ersten Schultag deiner Tochter könnte der Militärputsch in Myanmar passieren. Ein Alltag ist nicht planbar», erklärt sie den Entscheid, zurückzukehren. «Ich wollte auch, dass meine Kinder in der Schweiz Wurzeln schlagen.»
«Du hast Schultern wie Kleiderbügel»
Barbara Lüthi ist in Thalwil ZH aufgewachsen. Ihr Kinderzimmer hatte Blick auf den Zürichsee. «Deshalb zieht es mich immer wieder dorthin, ich bin ein ‹Seemeitli›, wie meine Mutter oft sagte.» Als Lüthi in Zürich Enge ins Gymi kommt, verlagert sich ihr Leben in die Stadt. Ab und an hilft sie in der Boutique ihrer Tante Elisabeth Bossard aus, «der Kaschmir-Queen von Zürich». Dort lernt sie Willi Spiess (58) kennen, der als Designer für ihre Tante arbeitete. «Meine ersten Designs steckte ich an Barbara ab», erzählt er heute in seiner Boutique in der Altstadt. «Du und Elisabeth sagtet mal, dass ich gerade Schultern wie ein Kleiderbügel habe», erinnert sich Lüthi. Beide lachen. Ihr einziges Abendkleid ist von Spiess und etwa 20 Jahre alt. Heute kauft die TV-Frau fast keine Kleider mehr. «Auf meinen Reportagen habe ich gesehen, was Fast Fashion in Asien anrichtet. Dort werden unsere Kleider in Billigarbeit produziert, richten riesige Umweltverschmutzung an.» Mit ihrer Freundin, der SRF-Korrespondentin Cristina Karrer (62) macht sie fifty-fifty: Sie teilen sich einige Stücke – «wenn der Sommer in Südafrika vorbei ist, trage ich die Kleider in der Schweiz».
Selbstständig sein und hinaus in die Welt gehen, das war Barbara Lüthi früh wichtig. Mit 17 macht sie ein Zwischenjahr in Australien. Nach dem Gymi folgen Wirtefachschule, Marketing-Weiterbildung, Anstellung in Hongkong. Zurück in Zürich, arbeitet sie bei Unternehmer Paolo Fattore in dessen «Kreis 6», ihrem heutigen Lieblingsrestaurant. «In der Gastronomie lernt man ‹schaffe›, es ist unprätentiös», sagt sie. Fattore erinnert sich: «Barbaras Problem ist, dass sie viele Interessen hat – und in allem auch gut ist. Es hat wohl eine Weile gebraucht, bis sie ihren Weg fand.»
«Ich bin ein ‹Seemeitli›, wie meine Mutter oft sagte»
Barbara Lüthi
Lüthi will in den Journalismus, sucht nach einem Praktikum. Als sie den Tisch von TV-Produzent Martin Weiss bedient, nimmt ihre Journalismus-Karriere ihren Anfang. «In seiner Produktionsfirma lernte ich alles von der Pike auf.» Lüthi schneidet, recherchiert, moderiert, produziert, arbeitet für die Sender Star TV, TV3 – dann landet sie beim Schweizer Fernsehen, ist lange für die «Rundschau» tätig. 2006 beginnt sie über China zu berichten, zieht nach Peking, heiratet einen tschechischen Berufskollegen und wird dreimal mit einem CNN Journalist Award ausgezeichnet. «Rückblickend war dies die intensivste Dekade meines Lebens. Beruflich wie privat. China prägte mich als Journalistin, und ich wurde zweifache Mutter.» Heute lebt das Paar getrennt.
Abende mit der Familie sind Barbara Lüthi heilig
«Ich bringe den Znacht vom indischen Take-away nach Hause», informiert sie am Handy kurz Tochter Lara (14) und Sohn Dylan (11). Als voll engagierte Journalistin und alleinerziehende Mutter sind ihr die Abende mit ihren Kindern heilig. Was immer auch los ist, Barbara Lüthi mag es intensiv. «Wenn ich gefordert bin, dann sind all meine Sinne wach, das macht mich ruhiger», sagt sie. «Routine strengt mich an. Ausserhalb der Komfortzone fühle ich mich am wohlsten.» Deshalb wird es sie wohl irgendwann auch wieder von Zürich wegziehen. Denn trotz Liebe zur Stadt und ihrem jetzigen Job – «ich bin im Herzen Reporterin».