Taurus hat «kä Luscht». Wann immer er die Kamera erblickt, senkt er demonstrativ den Kopf. Viktor Giacobbo (72) grinst auf den Stockzähnen und meint: «Er hat seinen eigenen Grind. Sehr sympathisch.» Der Kabarettist und der Ochse treffen zwar erstmals aufeinander, haben aber durchaus eine althergebrachte Verbindung. Taurus erblickte im Circus Knie das Licht der Welt, wo seine Mama Fee 2022 gemeinsam mit dem Comedy-Duo Ursus & Nadeschkin Gaststar war. Viktor Giacobbo tourte zweimal mit dem Knie – 2006 und 2019 – und stand dabei mit einem Kamel und (gemeinsam mit Mike Müller) mit zwei Säuli in der Manege. Viktor holt jetzt sein Handy aus der Tasche – er braucht unbedingt ein Selfie mit Taurus für Nadja «Nadeschkin» Sieger, seine Ex-Partnerin.
Taurus ist eine Ausnahme im Sikypark. Zooleiter Marc Zihlmann hat den ehemaligen Besitzer um den Ochsen gebeten. Die meisten anderen Tiere im Tierrettungspark in Crémines im Berner Jura – gut 850 an der Zahl – stammen aus Zirkussen, Tierparkschliessungen, Wohnungsräumungen und vor allem aus Schmuggel und illegalem Handel.
Sie alle sind in Gefangenschaft geboren und hätten in der Wildnis keine Chance zu überleben. Und jedes hat seine eigene Geschichte. Zum Beispiel Jacco, der Kakadu, der so überzüchtet wurde, dass er nicht fliegen kann. Oder die weissen Wölfe Nikita und Baloo, die als Hunde inklusive Hundepass in die Schweiz geschmuggelt wurden. Oder das Löwenpaar Timba und Zumba, das aus dem aufgelösten Raubtierpark des bekannten Tierdompteurs René Strickler in den Sikypark kam.
Ihnen allen bieten Marc Zihlmann und seine Mitarbeitenden ein tiergerechtes Umfeld. Dass man die Tiere im Sikypark wie in einem Zoo anschauen kann, hat nicht nur finanzielle Gründe: «Wir möchten ihre Schicksale sichtbar machen», sagt Marc Zihlmann. «Heute kann man mit zwei Mausklicks im Internet einen Waschbären oder einen Serval kaufen. Was man den Tieren damit physisch und psychisch antut, überlegt sich niemand.»
Viktor Giacobbo hört aufmerksam zu. Der mehrfach preisgekrönte Comedian – vergangenes Jahr erhielt er den Swiss Comedy Award für sein Lebenswerk – ist seit Kindertagen ein grosser Tierliebhaber. «Ich hatte immer Katzen. Jetzt wohne ich in einer Wohnung ohne Auslauf für Katzen, deshalb geht das leider nicht», erzählt der Winterthurer. Dafür setzt er sich mit grosser Leidenschaft fürs Tierwohl ein, etwa als Stiftungsrat der Stiftung PanEco, die sich mit langfristigen Programmen im In- und Ausland für Natur- und Artenschutz engagiert.
Deren Orang-Utan-Rettungsstation auf der indonesischen Insel Sumatra – das Ziel ist die Rehabilitierung und Auswilderung der verletzten Affen – hat er bereits mehrfach besucht. «Dass Menschen sich an wehrlosen Tieren bereichern – sei es durch Handel, nicht artgerechte Haltung oder Zerstören ihres Lebensraums –, macht mich wütend.» Viktor Giacobbo selbst mache das, was er könne, um sich für die Tiere einzusetzen, zum Beispiel seine Bekannt-heit dafür zu nutzen. So plant er einen Dok über das Orang-Utan-Projekt von PanEco.
«Dass Menschen sich an wehrlosen Tieren bereichern, macht mich wütend»
Viktor Giacobbo
Es sei schön, dass er das Privileg habe, sich für so was einzusetzen, sagt Viktor Giacobbo, der unter anderem mit TV-Sendungen wie «Viktors Spätprogramm» oder «Giacobbo/Müller» grosse Erfolge feierte. «Ich würde zwar nicht sagen, dass ich in Pension bin, aber ich erlaube mir, nur noch das zu machen, worauf ich wirklich Lust habe.»
So spielt er noch hin und wieder Theater, übernahm die Regie beim ersten Soloprogramm von Comedian Cedric Schild und führt einmal pro Monat durch die Talk-Comedy-Show «Late Giacobbo» im Casinotheater Winterthur. Viktors Tierliebe prägt auch das Theater, dessen Verwaltungsratspräsident er ist. In der dortigen Küche wird nur Fleisch aus artgerechter Haltung verarbeitet. Zu Hause isst Giacobbo gar kein Fleisch, «und auch sonst immer seltener. Ich bin aber kein Fundamentalist und gönne mir manchmal die eine oder andere Schwäche», gesteht er.
Viktor Giacobbo und Marc Zihlmann haben sich nun auf einen Rundgang durch den Park begeben und betrachten die Löwen, die friedlich auf einer Plattform fläzen. «Zirkustiere müssen sich zuerst daran gewöhnen, dass sie nicht mehr ‹arbeiten› müssen», erzählt Zihlmann. «Die erste Zeit sitzen sie oft in einer Ecke und wissen nichts mit sich anzufangen.» Dieses Problem habe er nicht, meint Viktor Giacobbo lachend. Wenn er nicht an seinen Projekten arbeitet, frönt er einer weiteren Leidenschaft, dem Reisen. Dies tut er mit Freunden, aber auch gern allein – «man nimmt die fremde Umgebung dann anders wahr».
Überhaupt sei er so etwas wie ein natürlicher Single, «selbst während einer Partnerschaft». Den Monat Juli wird Viktor in Japan verbringen. «Ich bereise das Land bereits zum vierten Mal und liebe alles daran. Die Menschen, den Stil, das Essen, die Kunst», schwärmt er. Nach seiner Rückkehr möchte er unbedingt noch einmal den Sikypark besuchen. Vielleicht zusammen mit Mike Müller. «Er hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Taurus.»