Es ist jener Montag im März, den die Schweizerinnen und Schweizer nicht mehr vergessen werden. Simonetta Sommaruga betritt mit Verteidigungsministerin Viola Amherd, Justizministerin Karin Keller-Sutter und Gesundheitsminister Alain Berset das Medienzentrum des Bundes in Bern. «Jetzt muss ein Ruck durch unser Land gehen», sagt Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, 60, in allen vier Landessprachen. Ein Ruck, damit die Zahl der Corona-Infizierten nicht weiter steigt. Ein Ruck, der auch viele Einschränkungen bedeutet. Der Bundesrat ruft an diesem Tag die ausserordentliche Lage aus. Die Schweiz geht in den Lockdown.
Geschlossen auftreten!
«Diesen Tag werde ich nie vergessen», sagt Simonetta Sommaruga gut neun Monate später an einem riesigen Tisch im Bundeshaus Nord. «Wir hatten vorher eine stundenlange Sitzung und trafen Entscheide, die einschneidend für die gesamte Bevölkerung waren. Ich war sehr dankbar, dass wir an dieser Pressekonferenz geschlossen auftreten konnten. Das gab uns Kraft.»
Es folgen Wochen im Ausnahmezustand. Das Coronavirus breitet sich aus, weltweit und auch in der Schweiz. Die Tage der Bundespräsidentin beginnen mit Krisensitzungen – und scheinen nie zu enden. Bis zu fünf Bundesratssitzungen führt Sommaruga pro Woche. Schon ihr erstes Präsidialjahr 2015 war besonders. Es war geprägt von Terror und Flüchtlingselend. Die Krise 2020 aber hat eine historische Dimension. «Eigentlich repräsentiert die Bundespräsidentin vor allem die Schweiz im Ausland, doch 2020 wurde ich hier gebraucht.» Eine ihrer Hauptaufgaben sei gewesen, dafür zu sorgen, dass der ganze Bundesrat am gleichen Strang zieht. «Es gab viele Diskussionen. Einige im Bundesrat hätten vielleicht gerne früher reagiert, andere später oder weniger einschneidend. Da kann eine Kaffeepause im richtigen Moment sehr wichtig sein. Wir haben schliesslich immer eine gemeinsame Lösung gefunden. Trotzdem hatte ich einige schlaflose Nächte.» Die Pandemie sei kein Sololauf, sondern harte Teamarbeit, so Sommaruga.
Geburtstagsfeier abgesagt!
Den Plan, ihren 60. Geburtstag gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern zu feiern, die am selben Tag wie sie geboren sind, muss die Bundespräsidentin aufgeben. Einige Dutzend Jubilare wären dabei gewesen. Doch die Lage in der Schweiz lässt solche Treffen nicht zu. Immerhin konnte Sommaruga sechs Kerzen auf einem Schokoladenkuchen in ihrem Büro ausblasen.
Klar und verständlich – so kommuniziert Simonetta Sommaruga stets bei ihren Auftritten in der Corona-Krise. «Es ist mir wichtig, der Bevölkerung offen zu sagen, was wir wissen und was nicht. Es ist wichtig hinzustehen. Auch wenn es unangenehm sein kann.» Das amerikanische Magazin «Forbes» veröffentlicht Anfang Dezember eine Rangliste mit den einflussreichsten Frauen der Welt, angeführt von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Auf Platz 56 Simonetta Sommaruga – als einzige Schweizerin. Mehrere Frauen sind wegen ihrer Rolle in der Bewältigung der Pandemie auf die Liste gerückt. Das dürfte wohl auch auf unsere Bundespräsidentin zutreffen.
Unterstützender Ehemann
Sommarugas Ehemann, der Berner Schriftsteller Lukas Hartmann, 76, hatte Anfang Jahr ein Stipendium für einen Atelieraufenthalt in London erhalten. Geplant war, dass er sechs Monate dort verbringt und für einen neuen Roman recherchieren würde. Doch der Autor musste Corona-bedingt früher heimkehren. «Wir haben eigenständige Lebensweisen – dennoch sind wir natürlich immer füreinander da», sagt Sommaruga. «Obwohl er nicht immer dabei ist, war er mir nah. Er hat mich in diesem besonderen Jahr sehr unterstützt, und dafür bin ich unendlich dankbar.»