Wie alles anfing, weiss Ayla Holdener nicht mehr so genau. Auf jeden Fall schwebte sie schon als Kind meist singend und tanzend durch die Wohnung. Auf den Wecker ging sie mit ihrem Gesang niemandem, daran erinnern sich ihre vier Geschwister und ihre Eltern Susanna und Andreas noch genau. Allen war klar: Im kecken blonden Mädchen, das immer schon vor Energie strotzte, schlummert ein ganz besonderes Talent.
Heute singt sie privat am liebsten Songs von Taylor Swift. Seit drei Jahren besucht die 17-Jährige die schweizweit erste Berufslehre für Tanz und Musik an der Musical Factory Luzern. «Mein Leben ist gerade super spannend», schwärmt Ayla. Am Fusse des Mythens trällert sie während des Fotoshootings leise die Melodie aus «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» vor sich hin. Ihre Stimme ist ungewöhnlich klar und sanft. «Meine Stimme», sagt sie, «ist mein bester Freund.» Der Prinz, scheint es, muss also noch etwas warten.
Märchen für Feministinnen
Mit dem violetten Abendkleid und dem flauschigen weissen Jäckchen könnte man sie tatsächlich fast ein wenig mit der Titelheldin aus dem Kultfilm aus dem Jahr 1973 verwechseln. Darin nimmt Aschenbrödel ihr Schicksal selbstbewusst in die Hand und entzückt Generationen von Zuschauern mit ihrem Eigensinn, Mut und Charme. Auf Schimmel Nikolaus reitet sie durch die verschneite Landschaft und zeigt ihrem Verehrer schon bei der ersten Begegnung zielsicher, wos langgeht.
Seit der Erstausstrahlung ist das von Leichtigkeit getragene Filmmärchen mit seiner romantischen Stimmung nicht mehr aus dem Adventsprogramm wegzudenken. Zu verdanken ist dies kuriosen Umständen, denn das ursprüngliche Drehbuch sah vor, dass Aschenbrödel über blühende Wiesen läuft. Weil die Filmstudios der tschechisch-deutschen Koproduktion für den Sommer bereits verplant waren, liess Regisseur Václav Vorlíček die Geschichte in den Winter verlegen.
Die Ruhe vor dem Sturm
Auch Ayla Holdener freut sich auf die Kulisse, die sie am 29. Dezember im KKL Luzern erwartet. An zwei Vorstellungen wird sie das Solo im Filmmusikkonzert singen – vor 1800 Leuten! Lampenfieber? Im Gegenteil. Die Vorfreude wächst von Tag zu Tag. Text und Noten sitzen, das Galakleid hängt gebügelt im Schrank. «Der Moment, hinaus ins Rampenlicht zu treten und vor so vielen Menschen zu bestehen, ist pure Leidenschaft. Kurz vor dem Auftritt tausche ich mich mit Dirigent Ludwig Wicki aus. Ich bin dann ganz bei mir.» Schon letztes Jahr wurde ihr die Ehre zuteil, die Rolle zu performen. Es war ein fulminantes Debut: «Ich war ein wenig überwältigt.» Während auf der Grossleinwand der TV-Klassiker gezeigt wird, trägt die Jung-Sopranistin bezaubernde Melodien vor, live begleitet vom 21st Century Orchestra. Das Erfolgsformat ruft beim Publikum seit Jahren rund um die Welt selige Glücksgefühle hervor.
Bretter, die die Welt bedeuten
Wenn Ayla über ihre Träume und Ziele sprechen soll, kann sie einem diese präzis erklären. Für ihr Alter wirkt die Schwyzerin sehr reif. Ihre Ausbildung als Bühnentänzerin mit Schwerpunkt Gesang, Tanz und Schauspiel ist intensiv. Seit drei Jahren sind ihre Tage gefüllt mit Training – und das 40 Stunden die Woche. Von Stepptanz, Ballett, Jazztanz, Hip-Hop bis Akrobatik ist alles dabei. Kommt sie da manchmal körperlich nicht ans Limit?
«Ich wusste früh, dass ich genau das machen will. Ich pushe mich gerne. Wer nicht fit und bereit ist, hart zu trainieren, und sich später an Auditions nicht durchsetzen kann, hat im Business keine Chance.» Mit ihrer Ausbildungsklasse besucht sie Musicals von London bis Wien: «Wir durften schon Stars treffen und hinter die Bühne blicken.» Ihr Wunsch: einmal am Broadway in New York aufzutreten. «Dann hat man es geschafft», ist sie überzeugt.
Weil sich Ayla Holdener täglich bis an die Schmerzgrenze bewegt, ist das Bett aktuell ihr Lieblingsplatz. Sie geniesst Zeit mit ihren Freundinnen, spielt Cello und Piano und begleitet sich beim Singen auf der Ukulele. Auf die Frage, wer ihr in der Familie das musikalische Talent vererbt hat, antwortet Ayla diplomatisch. «Die Einflüsse kommen von allen Seiten. Meine Grossmutter meint allerdings: ‹Du kannst das so gut wegen mir.› Sie hat fast ihr ganzes Leben lang im Kirchenchor gesungen.»