Ich kann es kaum glauben. Schon ein halbes Jahrhundert ist es her, dass ich – zwei Monate nach Annahme des Frauenstimmrechts – als Kantonsrätin gewählt wurde. Ich war überglücklich.
Zwölf Jahre vorher hatten noch 66 Prozent der Männer gegen das Frauenstimmrecht gestimmt. 1971 waren aber 65 Prozent dafür. Es hatte sich also etwas bewegt. Nicht nur bei den Männern, auch bei den Frauen, unter denen viele 1959 noch kein herzhaftes Ja vertraten.
Wie so oft in unserem lieben Land dauerte es ein bisschen, bis man zu neuen Schlüssen kam. Aber dann, wenn die Meinungen mal gemacht sind, geht es rasch vorwärts. Das war auch in den 70er- und den 80er-Jahren so. Der Bundesrat setzte eine Expertenkommission zur Behandlung des Familienrechts ein. In der Folge wurden das Eherecht, das Erbrecht, das Scheidungsrecht geändert. In den 90er-Jahren wurden bei der 10. AHV-Revision die Betreuungsgutschriften geschaffen. Wir Frauen im National- und Ständerat hielten zusammen, von links bis rechts, alle vertraten wir die Neuerungen. Das beeindruckte wohl auch manch einen unserer Kollegen.
Nach Annahme des Frauenstimmrechts gehörte Monika Weber vom Landesring der Unabhängigen (LdU) zu den ersten Politikerinnen. Über 35 Jahre prägte sie die Polit- und Wirtschaftslandschaft – als National- und Ständerätin, später als Zürcher Stadträtin. Seit ihrer Pensionierung 2006 engagiert sich Weber, 77, ehrenamtlich, etwa beim Deutschunterricht für Flüchtlinge, und sie präsidiert die Jeanne-Hersch-Gesellschaft.
Auf der kantonalen und kommunalen Ebene wurden rund um die Volksschule Anpassungen an die sich stark verändernden Familienverhältnisse gemacht: Kitas erstellt, Horte für alle zugänglich gemacht, Blockzeiten eingeführt – alles Massnahmen, die den berufstätigen Müttern entgegenkamen. Es änderte sich das Familienbild. Der Mann ist nicht mehr Oberhaupt der Familie.
Leben wir nun in einer idealen Gesellschaft? Kaum. Das Zusammenleben ist nie problemlos. Es braucht immer wieder das Engagement für eine bessere Welt und die entsprechenden gesetzgeberischen Anpassungen. Im Inland. Und wie wir wissen, stehen wir auch vor immensen globalen Problemen: die Klimaveränderung, die Migrationsproblematik, die internationalen Schuldenberge.
Fragen Sie mich, ob ich eine Feministin bin? Ja, ich vertrete einen Feminismus, der sich für die Allgemeinheit einsetzt, das heisst: nie vergisst, dass die Stärkeren für die Schwächeren da sind.