Die Freude von Marius Bear (29) und der gesamten Schweizer ESC-Delegation war am Dienstagabend (10. Mai 2022) grenzenlos. Bear schaffte mit «Boys Do Cry» gleich als erster Sänger den Einzug ins Finale des Eurovision Songs Contest in Turin und war kaum mehr zu halten. «Vor lauter Freude hätte ich beinahe den Tisch zerschlagen», sagte der Appenzeller zu «20 Minuten».
Der Gefühlsausbruch ist berechtigt. Denn bei weitem nicht alle Schweizer Teilnehmenden schafften es in die Endrunde des prestigeträchtigen Song-Wettbewerbs. Schlimmer noch: Zwar ist die Schweiz mit 62 Beiträge die fleissigste Teilnehmerin am ESC, sie belegte aber ganze neun Mal den letzten Platz – vier Mal davon mit peinlichen null Punkten. Damit ist die Schweiz das Land mit den meisten letzten Plätzen unter allen ESC-Nationen.
Unvergessen ist die Schmach von Gunvor Guggisberg aus dem Jahr 1998, als sie mit ihrem Song «Lass ihn» ohne einen einzigen Punkt nach Hause fahren musste. Piero Esteriore erging es 2004 nicht besser. Auch er bekam für seinen Beitrag «Celebrate!» keine einzige Stimme und reiste geknickt zurück in die Heimat. Drei Jahr später wollte es in Helsinki DJ Bobo richten und ging als Favorit ins Rennen. Doch auch er schaffte es mit «Vampires Are Alive» nicht ins Finale, diese Niederlage kam nicht nur für den Eurodance-Superstar überraschend und war nur schwer zu verkraften.
Doch diese ESC-Flops sind beinahe vergessen. Denn in den letzten Jahren geht es für die Schweiz am Eurovision Song Contest wieder aufwärts – zwar langsam, aber dafür stetig. Den Startschuss markierte Anna Rossinelli vor elf Jahren und lieferte mit «In Love for a While» und 55 Finalpunkten eine solide Leistung ab. Drei Jahre später reüssierte Sebalter mit seinem Beitrag «Hunter of Stars» (92 Punkte) und spätestens mit Luca Hänni und seiner Teilnahme im Jahr 2019 war der Bann gebrochen. Hänni katapultierte sich mit einem fulminanten Auftritt und einem Top-Song («She Got Me») auf den sagenhaften vierten Platz. Damit sicherte er sich die beste Schweizer Platzierung seit 1993. Damals schaffte es die Kanadierin Annie Cotton mit «Moi, tout simplement» für die Schweiz auf Rang drei.
Die Schweiz spielt in der Geschichte des Eurovision Song Contests eine wichtige Rolle. Erstmals wurde der Musikwettbewerb – damals noch unter dem Namen Gran Premio Eurovisione Della Canzone Europea – nämlich 1956 in Lugano ausgetragen und stellte damals mit Lyss Assia auch gleich die erste Siegerin.
Der ESC brachte 1988 nicht nur der Schweiz, sondern auch der kanadischen Teilnehmerin Glück. Céline Dion trat mit dem Titel «Ne partez pas sans moi» und holte damit nicht nur den ersten Platz, sondern startete mit dem Sieg auch ihre bis heute andauernde Weltkarriere.
Und auch vergangenes Jahr schaffte es die Schweiz wieder aufs Podest. Gjon's Tears belegte den sagenhaften dritten Rang und sang sich mit «Tout l'Univers» in die Herzen der ESC-Zuschauer. Es war die vierte Bronzemedaille für die Schweiz am ESC. Ebenfalls auf Rang drei sang sich 1961 Franca di Rienzo mit «Nous aurons demain», 1982 Arlette Zola mit «Amour on t’aime» und 1993 Annie Cotton mit «Moi, tout simplement». Und im Jahr 1986 erreichte Daniela Simons mit dem Lied «Pas pour moi» für die Schweiz den 2. Platz beim Eurovision Song Contest.
Am Samstag, 14. Mai 2022, könnte sich nun auch Marius Bear in die Hall of Fame der besten Schweizer ESC-Teilnehmenden einreihen. Wir drücken ihm fest die Daumen!