Bianca Sissing: «Bin froh, habe ich geredet»

Alle paar Minuten leuchtet auf ihrem Handy eine neue Nachricht auf. Ein neuer Zuspruch, eine neue Ermutigung, eine neue Geschichte – mehr als 300 Mitteilungen erreichen Bianca Sissing (44) in den ersten Tagen, nachdem sie in der Schweizer Illustrierten über ihren unerfüllten Kinderwunsch gesprochen hat. «Es ist unglaublich, welch grosse Unterstützung ich zu spüren bekomme», sagt sie in ihrem Yoga-Studio in Luzern. «Damit hätte ich nie gerechnet.» Die meisten Nachrichten kommen von Frauen, die Sissing gar nicht kennt. Sie danken der Yoga-Lehrerin für ihre Offenheit, teilen mit ihr den eigenen Leidensweg. «Viele der Frauen haben sich selber in meinen Worten wiedergefunden.» Die Nachrichten seien ihr nahegegangen. «Manchmal kamen mir beim Lesen sogar die Tränen.»

Bianca Sissing wünscht sich sehnlich ein Kind – dieser Traum blieb ihr bisher verwehrt und war der Grund für ihre Scheidung nach zehn Jahren Ehe. Mit 40 stand sie plötzlich alleine da – ohne Mann, ohne Kinder. «Danach war ich in tausend kleine Stücke zerbrochen.»

Mit dem neuen Partner keimt neue Hoffnung auf

Doch Bianca Sissing gibt nicht auf, findet mit Juan Carlos Russo (45) eine neue Liebe und neue Hoffnung. Das Paar versucht seit drei Jahren, ein Baby zu bekommen. Der Weg ist steinig. Zweimal erleidet Sissing eine Fehlgeburt, hinter ihr liegt eine Odyssee zwischen Kinderwunschkliniken und Befruchtungstherapien, sie verfiel in eine tiefe Depression. Doch nun weiss Sissing: Sie ist nicht die einzige Betroffene, der es im Stillen schlecht geht. «Es ist traurig, dass so viele Frauen alleine leiden», sagt sie. «Darum bin ich froh, habe ich über meinen Weg geredet.» Sie wollte eine Debatte anstossen. «Heute sollte es doch normal sein, über solche Themen zu reden. Nur weil man schweigt, verschwindet das Leiden nicht einfach.»

Bianca Sissing hat in den letzten Wochen gemerkt, wie vielschichtig das Thema ist. «Es geht nicht nur um den unerfüllten Kinderwunsch an sich – so viele Faktoren spielen mit. Es fängt mit Gleichberechtigung in der Beziehung an, geht weiter zur Aufklärung durch die Ärzte und bis hin zum Geschäft mit den Fruchtbarkeitskliniken. Aber auch die Frauen, die bewusst keine Kinder wollen, werden tabuisiert. Sie müssen sich rechtfertigen, werden als egoistisch abgestempelt. Von uns Frauen wird erwartet, dass wir einfache ohne Probleme Kinder bekommen.» Bianca Sissing hat sehr viele Tipps bekommen, welche Ärzte oder Kliniken besonders gut seien. «Viele haben mir zu bestimmten Therapien geraten.» Die meisten hatte sie schon ausprobiert: Akupunktur, Kinesiologie, chinesische Medizin, Kräuterkuren, Osteopathie, Unterleibsmassage. «Nur Hypnose habe ich noch nicht versucht. Viele haben mir dazu geraten – das werde ich jetzt ausprobieren.»

Im Alltag von Bianca Sissing gebe es noch immer traurige Tage, doch etwas hat sich verändert: «Diese Schwere ist weggefallen. Ich fühle mich nicht mehr so isoliert und alleine.» Sie habe noch immer die Kraft, für ihren Traum zu kämpfen – und jetzt noch Unterstützung erhalten: «Einige Frauen in meinem Alter haben mir Bilder mit ihren kleinen Kindern geschickt. Ich gebe nicht auf.»