Jamas! – Prost! Laura Meyer, 40, st sst in der Taverne mit einem Glas Rotwein an. Es ist bereits spät, der Himmel über dem offenen Innenhof dunkel. Zwischen den dicken Steinwänden riechts nach Rosmarin und Olivenöl. Vor einer Stunde ist die Hotelplan-Chefin auf Kreta gelandet.
Lust zu reisen
Es ist eine ihrer ersten Auslandsreisen als neue Chefin der Hotelplan Group. Auf der grössten griechischen Insel trifft sie Partner des Reiseanbieters sowie Hotelbesitzer. Obwohl die Reisebranche die Pandemie schmerzlich zu spüren bekam, scheint nun ein laues Lüftchen der Hoffnung zu wehen: Als das BAG Anfang Juni mehrere Länder am Mittelmeer von der Risikoliste streicht, schiessen die Buchungen in die Höhe. «Griechenland mit all seinen wundervollen Inseln ist aktuell die beliebteste Destination», sagt Meyer. «Wir haben derzeit 50 Prozent mehr Buchungen pro Woche als zum gleichen Zeitpunkt vor Corona. Die Leute haben Lust zu reisen.»
Laura Meyer ist in verschiedenen Orten in und rund um Zürich aufgewachsen. Ihre Eltern haben sich früh scheiden lassen. Die Mutter, eine Lehrerin, legt Laura die Leidenschaft fürs Reisen in die Wiege. Statt wie die Eltern der Klassenkameraden nach Italien ans Meer zu fahren, reist sie mit ihren drei Töchtern an exotischere Orte wie Indien, Ägypten oder auch Kreta. «Die Insel war damals noch kein touristischer Hotspot. Wir fuhren alles mit dem Auto ab und sahen uns gefühlt jeden Steinhaufen an, der älter als 2000 Jahre ist. Meyer, damals zwölf Jahre alt, entdeckte auf einem Markt eine Katze, die in einem Terrarium gehalten wurde. «Wir hatten so Mitleid, dass wir sie kauften und in die Schweiz mitnahmen.» Die Katze Kritos bekommt den Namen ihrer Heimat und isst ihr Leben lang gern Oliven.
Die Sonne steigt tags darauf kurz nach sechs Uhr früh aus dem Meer. Laura Meyer steht schon in ihren Joggingkleidern am Strand trotz der kurzen Nacht. «Wenn ich schon mal die Gelegenheit habe, gehe ich gern laufen», sagt sie, ohne jede Spur von Müdigkeit in ihrem Lächeln. Zu Hause fehle ihr oft die Zeit dafür. «Mein Job ist sehr anspruchsvoll. Wenn ich freihabe, verbringe ich die Zeit am liebsten mit der Familie.» Meyer hat 2014 einen Anwalt geheiratet. Mit ihren zwei Söhnen, drei und fünf Jahre alt, wohnen sie in Zürich. «Mein Mann ist sehr modern. Er arbeitet Teilzeit und ist ein wunderbarer, engagierter Papi.»
Zusammen unterwegs
Die ganze Familie liebt das Reisen. Diesen Frühling haben sie Ferien in Dubai verbracht, im Sommer gehts nach Italien an die ligurische Küste und im Herbst wohl nach Zypern. «Für meine Söhne ist das Wichtigste, dass es einen Pool, einen See oder das Meer in der Nähe hat», erzählt Meyer. «Aber auch Städtetrips mögen sie. Als wir vor einigen Monaten in Venedig waren, sind wir einfach mit dem Trottinett durch die Stadt gedüst.»
2020 hat die Juristin das Angebot bekommen, die erste Frau an der Spitze der Hotelplan Group zu werden. Seit zwei Jahren war sie damals schon im Verwaltungsrat der Migros-Tochterfirma. Als das Angebot auf ihrem Tisch liegt, steckt die Branche in einer Krise. Hotelplan streicht 425 der gesamthaft 2277 Jobs, davon 170 in der Schweiz und schliesst zwölf Filialen. «Natürlich hatte ich Respekt davor, diese Stelle anzunehmen. Aber ich weiss: In jeder Krise steckt eine Chance», sagt sie heute. Ihren sicheren Job als Digitalexpertin bei der UBS gab sie auf. «Ich bereue meine Entscheidung keinen Tag.»
Beim Zmorge im Hotel bestellt Meyer einen Cappuccino – mit Sojamilch. Seit sie acht Jahre alt war, hat sie kein Fleisch mehr gegessen. Heute verzichtet sie wenn immer möglich komplett auf tierische Produkte und lebt weitestgehend vegan. Auf ihren vielen Reisen war das noch nie ein Problem. «Ich frage einfach nach. Die meisten Restaurants sind total unkompliziert.» Auch ihre Lederjacke und die Sandalen sind nicht aus echter Tierhaut.
Nicht nur auf dem Teller
Nachhaltigkeit ist ihr ein wichtiges Anliegen. «Meine Kinder sollen die Welt irgendwann auch noch in ihrer ganzen Schönheit und Vielfalt entdecken können.» Meyer fährt ein Elektroauto und verreist auch gern mit dem Zug. Ob viel Reisen und Nachhaltigkeit nicht ein Widerspruch seien? «Für mich gehört Reisen zur Lebensqualität. Aber natürlich soll es so nachhaltig wie möglich sein. Wir leisten für jede Reise CO2-Kompensation und wählen nachhaltige Unterkünfte. Wenn wir Langstrecke fliegen, bleiben wir wenn möglich länger vor Ort. Letztes Jahr verbrachten wir sechs Wochen in Thailand.» Sie ist überzeugt, das Reiseverhalten werde sich längerfristig in diese Richtung verändern: «Der Trend zu Ferien näher von zu Hause und zu weniger Kurztrips mit Flug wird bleiben.» Dafür gönne man sich dann vielleicht eine spezielle und längere Langstreckenreise. Auf der Wunschliste von Laura Meyer steht ganz oben: Südamerika.