Normalerweise interessiert sich das Publikum der Schwyzerörgeli-Combo Genderbüebu mehr für deren Musik. Normalerweise spielt das Quartett auch nicht für die Kühe im Stall von Raban Pfammatter (42) in Mund VS. Aber was tut man nicht alles für ein Foto. Für eines allerdings, das ausnahmsweise so geplant war. Auf Rabans Hof tauchen nämlich immer wieder mal Fans auf, schiessen Handyfotos und wollen einfach mal schauen, wie die Hitparadenstürmer so ihren Alltag verbringen. Raban zuckt lachend mit den Schultern: «Die meinen das ja nicht böse.»
«Vielleicht ein bisschen stur»
Vier Jahre ist es her, seit die Genderbüebu mit ihrem Album «Freundschaft» erstmals die Hitparade stürmen. 45 Wochen lang halten sie sich in den Schweizer Album-Charts, schaffen es bis auf den achten Platz. Über 10 000 verkaufte CDs bedeuten Gold-Auszeichnungen für Pfammatter, Marco Gurten (33) und die Brüder Simon (39) und Kilian Schnydrig (37). Eine Sensation, denn das gabs seit 30 Jahren nicht mehr für eine Volksmusikplatte. Und der Clou: Das Album kann man beim Erscheinen weder digital runterladen noch streamen, sondern nur als CD kaufen. «Vielleicht sind wir da ein bisschen stur. Aber für uns symbolisiert dies den Wert der Musik», sagt Simon.
Es kommt noch besser: Der Nachfolger, «Dankbarkeit», katapultiert die vier Walliser auf Rang eins der Schweizer Album-Hitparade. Wochenlang sind sie dort auf dem Siegertreppchen, momentan auf Platz acht. Dass ihr Mix aus klassischer Ländler- und Partymusik gut ankommt, überrascht die Genderbüebu zwar nicht. Doch damit, dass er dermassen durch die Decke geht, haben sie allerdings nicht gerechnet. «Eigentlich sind wir ja nur vier Freunde, die zusammen Musik machen. Und danach gern ein Bier trinken», sagt Simon. Alle vier Genderbüebu sind in der Region aufgewachsen, kennen einander seit ihrer Kindheit. Marco, Simon und Kilian sind Cousins. Gejodelt und Örgeli gespielt haben schon ihre Eltern und Grosseltern. Die vier Freunde machen seit 20 Jahren immer wieder mal zusammen Musik, seit 15 Jahren als Genderbüebu.
Die Bandbezeichnung entstand spontan bei einem Auftritt, als sie nach dem noch fehlenden Namen der Formation gefragt wurden. Die Gender sind ein Alpteil im Gredetschtal, wo Kilians Schwarznasenschafe jeweils sömmern. Dass sie immer wieder mal zu LGBTQ-Veranstaltungen eingeladen werden in der Annahme, der Begriff «Gender» habe etwas mit der Geschlechterfrage zu tun, nehmen sie mit Humor. Die Anfragen lehnen sie zwar ab, doch das hat nichts mit jener Community zu tun, sondern mit der Tatsache, dass sie trotz Hunderten von Anfragen nur rund zehnmal im Jahr auftreten. Kein Wunder, sind all ihre Konzerte innerhalb von wenigen Stunden ausverkauft.
Die Musik ist für das Quartett ein Hobby – und soll es auch bleiben. Drei von ihnen sind Familienväter, alle arbeiten zu 100 Prozent. Raban ist Landwirt, Marco Bauleiter bei einem Architekturbüro, Kilian Chemie- und Pharmatechnologe und Simon (gelernter Metzger) Werkleiter und Disponent in einem Baugeschäft. Aus Leidenschaft züchtet Marco Eringerkühe und Kilian Schwarznasenschafe. Da bleibt nicht gross Zeit, um Stars zu sein. «Das war auch nie unser Ziel», sagt Simon.
Simon Schnydrig gibt bei den Genderbüebu als Bassist den Takt vor. Zu Hause macht ihm diese Rolle Seraina (10) die jüngere seiner zwei Töchter, streitig – zumindest musikalisch. Ihr Schlagzeug hat sich die Viertklässlerin selbst zusammengespart. Was den Musikgeschmack angeht, ist sie mit Papa auf einer Wellenlänge. So gehts nicht nur im Übungskeller rockig zu und her, sondern auch sonst in der Freizeit: Das Duo liebt Rockkonzerte und Festivalbesuche. So war der Auftritt der Genderbüebu am Openair Gampel 2018 ein Highlight für die ganze Familie. Bald wird man die Schnydrigs wohl auch am einen oder anderen Trauffer-Konzert antreffen: Simon begleitet den «Glöggelär» als Kontrabassist auf der anstehenden Tour.
Und wie gehts nun weiter mit den Schwyzerörgeli-Genderbüebu? Dieses Jahr liegen nur noch ein paar wenige Auftritte drin, die nächsten am 30. April in Naters VS und Anfang Juni am grossen Oberwalliser Tambouren- und Pfeiferfest. Das Album «Dankbarkeit» ist weiterhin auf Erfolgskurs. Dieser «Liebesbeweis» der Fans freut das Quartett enorm. Was nachher kommt, wird sich zeigen.
Sicher ist: Es wird weiterhin in erster Linie um Spass gehen. Noch weniger wichtig als Ruhm ist den Genderbüebu das Geld. Den Erlös aus der CD-Taufe des Albums «Freundschaft» (das es übrigens mittlerweile auf Spotify gibt) spendeten sie lokalen Walliser Hilfswerken. «Wir verlangten die Eintritte sowieso nur zur Kontrolle, damit wir die Halle nicht überfüllen», sagt Simon Schnydrig. «So setzten wir Einnahmen für gute Zwecke ein. Man kann ja auch mal ‹eppis Güets machu›.» Der Erfolg des Schwyzerörgeliquartetts Genderbüebu kommt nicht nur ihnen selbst zugute, sondern dem ganzen Oberwallis.