Ihre Freude ist riesig. Tanja Frieden, 44, schaut gespannt, wie ihr Lebenspartner Marc Ramseier, 46, ein Loch in den Holzbalken bohrt und den Haken setzt. «Eine Hängematte muss bei uns unbedingt sein», sagt die Snowboardcross-Olympiagsiegerin von 2006 und lässt sich fallen. Sohn Luam, 4, schwingt gleich mit. Die Hängematte macht das Zuhause der kleinen Familie in Gwatt BE perfekt. Vor zwei Jahren haben sie mit dem Umbau begonnen – ein «work in progress». Vor zwei Tagen wurde über der Essecke «d Dieli» abgedeckt. Gestern haben die Monteure die letzten Platten der petrolfarbenen offenen Wohnküche eingesetzt. «Wir sind nun beim Beauty-Sektor angekommen, der Innendekoration, mein Bereich», sagt die Thunerin.
Das Haus kennt sie bestens. Ihre Eltern haben es 1978 gebaut, bis zu ihrem 20. Lebensjahr ist Tanja darin aufgewachsen. Als 2012 ihr Vater und 2014 auch ihre Mutter stirbt, stehen sie und Marc vor der schwierigen Entscheidung, ob sie das Haus übernehmen wollen. Schwierig, weil klar war, dass eine Totalsanierung nötig ist – neue Heizung, neuer Boden und neues Dach. Zudem stand «Hüsli baue» nie auf Tanjas Lebensplan – als Naturliebhaberin schläft sie am liebsten unter freiem Himmel. «Glück hing für mich noch nie von Material oder einer schicken Hütte ab. Ich hätte lieber meine Eltern länger hier gehabt.»
Der Familien- und Traditionsgedanke führen dann zur Entscheidung: Ihr Elternhaus soll ein Daheim für ihren Sohn, für Freunde aus aller Welt sowie für ihre norwegische Familie werden. «Und wenn wir schon umbauen, dann mit dem Ziel, dass das Haus nicht nur mehrfach nutzbar ist, sondern auch energietechnisch zukunftsorientiert. Schliesslich will die Schweiz in 30 Jahren CO2-neutral sein», sagt Ramseier.
Mit den Solarholzbauern von Allenbach saniert das Paar das Dach, montiert Solarpanels und baut zwei Gauben ein. Durch die partielle Erhöhung des Dachstocks gewinnen sie 50 Quadratmeter an Nutzfläche und mit den Solarpanels so viel an Energie, dass ihr Daheim nun ein Plusenergie-Haus ist. Der Eichenholzboden sowie der Naturkorkboden wurden in der Schweiz hergestellt, im Dachbereich sind die Holzträger aus der Region. «Mit unserem Umbau wollen wir andere inspirieren», sagt Frieden. «Und wir hatten ‹gueti Giele›, die à la ‹ein Mann, ein Wort› gearbeitet und budgetiert haben.»
Der wichtigste Handwerker bleibt jedoch ihr Verlobter. «Ohne Marc hätte ich es gar nicht gemacht. No way! Er liebts und kann auch alles.» – «Aber jetzt lege ich mich dann mal hin. Der Umbau hat mich schon ans Limit gebracht», sagt der ehemalige Kitesurf-Profi, der überall auf der Welt Kitesurf-Camps veranstaltet und sich bereits ein Haus in Indonesien gebaut hat. Das Lianenholz für die Treppe, die Onyx-Platten für die Küche, die Stein-Lavabos fürs Bad und die Gartenmöbel liessen sie aus dem südostasiatischen Land in die Schweiz schiffen. «Unser Leben spiegelt sich im Bau», sagt Frieden.
Ein Surfboard von ihm und zwei Snowboard-Fotos von ihr zieren die hohe Galeriewand. Die Räume sind in skandinavischen Farben gehalten in Anlehnung an Tanjas zweite Heimat Norwegen. «Wenn ich einen der Träger grau angemalt hatte, fühlte ich mich gleich, als hätte ich das ganze Haus renoviert», sagt sie lachend und fügt ernst an: «Der Umbau war für uns ein dauernder Überforderungsprozess und hat viel von unserer Lebens- und Familienzeit in Anspruch genommen.» Daneben hat Tanja Frieden stets zwischen 40 bis 140 Prozent gearbeitet. Einerseits amtet sie als Präsidentin der Schneesportinitiative Schweiz, andererseits ist sie als Mindset-Coach tätig und unterstützt Menschen – mittlerweile digital – beim Erreichen von persönlichen Herzenszielen.
«Es gibt kein besseres Haus, um daheim zu sein», sagt Marc Ramseier. Der frühere Weltenbummler – 15 Jahre lang – liegt in der Hängematte. Das Paar lebt mit Luam und den Katzen Fia und Püs auf 164 Quadratmetern. Die unterste Etage – einst die Büroräume von Friedens Vater – haben sie zu einer Mietwohnung umgebaut. «Ja, meine Mutter hätte es geliebt, wie es jetzt ist – also kleiner. Für sie war das Haus stets zu gross», sagt Tanja Frieden.